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Dieser Mann ist leider tot

Dieser Mann ist leider tot

Titel: Dieser Mann ist leider tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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Spänesack hinaus und wuchtete ihn über die Seitenwand des khakifarbenen Kippcontainers. Dann kehrte er zurück, um die durchweichten Zeitungsblätter vom Glasboden des Aquariums zu schälen. Dieser Teil der Arbeit war ihm zuwider. Der Uringestank war im Papier konzentrierter als in den Spänen, und fast immer färbte die Druckerschwärze an seinen Händen ab und tätowierte ihn mit verschwommenen Schlagzeilen und Fotofragmenten von Sportlern und Politikern.
    Aber Cal machte sich trotzdem an die Arbeit, und als er die oberste Schicht der gedunkelten Zeitung ablöste, sah er, daß sie über zwei Wochen alte Nachrufe enthielt. Todesmeldungen. Das Ironische – das Unpassende – daran, Todesmeldungen in der Meerschwein-Pisse zu finden, ließ ihn innehalten. Menschen verließen den Mutterleib unter den Schmerzen mütterlicher Geburtswehen, plagten sich durch Säuglings- und Kindesalter, um erwachsen zu werden, und erlitten täglich wie viele Entwürdigungen, nur um sich als menschliche Wesen definieren zu können? Und am Ende stand was? Eine Beerdigung, und dann Vergessenheit. Es erschien ihm wie Gottes letzte, obszöne Kopfnuß, daß er ihre Nachrufe auf dem Boden eines Käfigs für Breschnew-Bären landen ließ.
    Cal kniete vor dem Aquarium, umfaßte den Plastikschutz, der den gläsernen Rand bedeckte, und blinzelte auf die Nachrufe hinunter. Was er zu tun hatte, war einfach: Er mußte sie lesen. So viel Ehre würde er diesen Leuten eben erweisen, die gestorben waren und die diese letzte kosmische – um nicht zu sagen, komische – Entwürdigung erlitten hatten. Was hatte der Nachruf-Reporter der Atlanta Constitution über sie geschrieben? Vielleicht würde ihn das einen Teil der zusätzlichen halben Stunde kosten, die Mr. Kemp ihm spendiert hatte, aber ein solches Opfer konnte man für die Mitglieder der Spezies, zu der man gehörte, schon bringen. Das verlangte der simple Anstand.
    Und so las Cal, über das stinkende Zeitungspapier gebeugt, und aus jeder der Meldungen erfuhr er das Geburtsdatum, die Bildungs- und Berufslaufbahn, bemerkenswerte Leistungen und die Namen der Hinterbliebenen. Eine Frau, 28, Ballerina, gestorben an Knochenkrebs. Ein Mann, 71, pensionierter Vizepräsident einer Fleischkonservenfirma, Opfer des Herzinfarkts. Ein siebzehnjähriger Junge, noch auf der High School, in einem Fastfood-Imbiß an der I-85 in den Kopf geschossen von ›einer oder mehreren unbekannten Personen‹, die möglicherweise auf der Hochstraße blindlings aus einem vorüberrasenden Auto geschossen hatten. Himmel!
    Cal hob das durchfeuchtete Blatt, wendete es und fand auf der anderen Seite einen Nachruf, der ihn wie ein Schlag mit der flachen Hand ins Gesicht traf:
     
    PHILIP K. DICK, BEKANNTER AMERIKANISCHER AUTOR STIRBT MIT 53 AN DEN FOLGEN EINES SCHLAGANFALLS IN SANTA ANA, KALIFORNIEN
     
    Philip K. Dick, der am 18. Februar in Santa Ana, Kalifornien, einen Schlaganfall erlitt, verstarb gestern früh um 8 Uhr 10 im dortigen Western Medical Center im Alter von 53 Jahren.
    Dick erwarb sich mit einer Reihe höchst origineller Romane von der Mitte der fünfziger Jahre bis zu Beginn der Siebziger einen Ruf als bedeutende Nachkriegsgestalt der amerikanischen Literatur.
    Sein erster Roman, ›Stimmen von der Straße‹, erschienen 1953, fand wenig unmittelbaren Beifall, da er zergliedert und überlang war, aber der Kritiker Orville Prescott wegen seines »einzigartigen Gespürs und die beißende Kritik an den Werten der amerikanischen Mittelklasse«.
    Sieben wichtige Bücher folgten: ›Mary and the Giant‹ (1956), ›A Time for George Stavros‹ (1957), ›Pilgrim in the Hill‹ (1957), ›The Broken Bubble of Thisbe Holt‹ (1958), ›Puttering About in a Small Land‹ (1958) und ›In Milton Lumky Territory‹ (1959), den das TIME-Magazin als »die verheerendste mimetische Destruktion des Kapitalismus seit Arthur Millers ›Tod eines Handlungsreisenden‹« pries.
    In den sechziger Jahren nahm Dicks Produktivität ab. Etliche behaupteten, er sei ausgebrannt, nachdem er sieben große Romane in ebenso vielen Jahren geschrieben habe.
    Aber in den acht Jahren vor Richard Nixons Präsidentschaft gelang es ihm immer noch, drei bemerkenswerte Werke hervorzubringen: ›Confessions of a Crap Artist‹ (1962), den viele für seinen besten Roman halten, ›The Man Whose Teeth Were All Exactly Alike‹ (1963), in dem sich versteckte Gesellschaftskritik mit Dicks idiosynkratischem Interesse an Paläoanthropologie paart, und – der

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