Dieser Mann ist leider tot
oder drei ›absurdistische‹, ›surrealistische‹ oder ›quasi-spekulative‹ Romane im Stile von ›Nicholas and the Higs‹ und ›Valis‹ geschrieben haben könne.
Wenn dem so ist, haben literarische oder politische Unzulänglichkeiten verhindert, daß sie zum Druck gelangten. Wie Sprecher von Dicks Hauptverlag – Hartford, Brice – behaupten, hat niemand in ihrem Hause die angeblichen nichtrealistischen Romane zu Gesicht bekommen. 1979 hatte der Verlag das Manuskript von ›Valis‹ abgelehnt.
Wilhelm Pauls, Professor für zeitgenössische amerikanische Literatur an der California State University in Fullerton, nennt Dicks Tod »eine Tragödie für die amerikanische Literatur«.
»Er war kein Hemingway oder Faulkner«, sagt Pauls, »aber er war ein erstklassiges, wenn auch wunderliches Talent. Ich denke, er gehört auf eine Stufe mit Autoren wie Nathaniel West, John Purdy und D. Keith Mano.
Das wahrhaft Tragische an Dick waren diese verlorenen Jahre zwischen dem ›Higs‹-Roman und jener letzten Schizo-Katastrophe (›Valis‹), die jeder anständige Verleger besser den Erben des armen Mannes überlassen hätte, damit sie sie mit ihm begraben. Wäre er bei Verstand geblieben und hätte er weiter gearbeitet, wäre er vielleicht der führende amerikanische Autor der Nixon-Ära geworden. Unglücklicherweise ist es nicht so gekommen.«
Dick hinterläßt drei Kinder und fünf geschiedene Ehefrauen. Die Familie hat die Absicht, ihn in Fort Morgan in Colorado zu begraben, neben seiner Zwillingsschwester Jane C. Dick, die kurz nach der Geburt am 16. Dezember 1928 starb.
»Wer denn, Pickford? Wer aus Ihrer Familie ist gestorben? Und erfahren Sie das aus einer alten Zeitung?«
»Entschuldigung. Kein Familienmitglied. Ich wollte nicht …«
»Lassen Sie den Käfig nur, Junge. Ich mache das fertig.« Der Alte zog ihn beim Ellbogen hoch. »Nehmen Sie sich den Tag frei, Pickford. Morgen auch. Niemand soll aus einer alten Zeitung erfahren müssen, daß jemand, der ihm nahesteht, gestorben ist.«
»Es ist Philip K. Dick«, erklärte Cal. »Der Schriftsteller. Er ist seit fast drei Wochen tot, und ich habe es nicht gewußt.«
»Das ist eine Schande. Es ist grausam. Man hätte es Ihnen sagen müssen.«
»Aber ich bin nicht mit ihm verwandt. Niemand hätte auf die Idee kommen können, es mir zu sagen. Er hatte Tausende von Bewunderern, Mr. Kemmings.« Cal stand jetzt wieder; seine Hände waren grau von Druckerschwärze, und sein Herz pochte.
»Philip Craddock?«
»Philip K. Dick, Mr. Kemmings. Der Schriftsteller.«
»Nie von ihm gehört. Ich habe immer gern Murray Spillane gelesen. Tough Guy- Zeug. Aber nur zum Zeitvertreib.«
»Erinnern Sie sich an den Film Confessions of a Crap Artist? Mit Jack Lemmon als Jack Isidore? Dick hat das Buch geschrieben, nach dem der Film gedreht wurde.«
»Der ist doch uralt. Zwanzig Jahre.«
»Fünfzehn nur. Jedenfalls wissen Sie wohl, wer Philip K. Dick war. Sie kennen ihn. Der Film hat Preise gewonnen.«
»Wahrscheinlich. Und Mr. Dick war ein Freund von Ihnen?«
Cal war schwindelig. Vielleicht war er zu schnell aufgestanden, aber vielleicht lag es auch daran, daß er versucht hatte, den Nachruf auf den Schriftsteller zu begreifen, ehe er die Tatsache seines Todes verdaut hatte. Zu Hause in Colorado hätte ich es einen oder zwei Tage später gewußt. Da hatte ich Freunde, denen solche Dinge am Herzen lagen und die es mir erzählt hätten. Der Mann ist da begraben. Aber hier unten bin ich isoliert. Noch keine echten Freunde. Niemand, den ich kenne, der ebenso vertraut mit Dicks Sachen ist wie ich.
»Nehmen Sie sich den Nachmittag frei, Cal. Ich halte Sie nicht fest. Gehen Sie nur.«
»Ja«, sagte Cal. »Ist vielleicht besser.« Aber Mr. K.s grundehrlichen Protesten zum Trotz reinigte er das Aquarium noch zu Ende und machte es den Breschnew-Bären gemütlich. Erst dann hatte er das Gefühl, seine Windjacke nehmen und das ›Happy Puppy Pet Emporium‹ verlassen zu können, hinaus in den Hauptkorridor der West Georgia Commons Mall.
Einen halben Tag geschwitzt, einen ganzen Tag bezahlt, dachte er. Und ich bin ein trauernder Hinterbliebener. Da stirbt ein Mann, dem ich nie begegnet bin, einen ganzen Kontinent weit weg von hier, und ich bin ein trauernder Hinterbliebener.
Und, Herrgott, wie weh das tut!
4 Cals Weg führte ihn am ›Chicken Mac Filet‹ vorbei; der Geruch von Pommes frites und Huhn war überwältigend. Normalerweise roch er das gern, aber heute
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