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Dieser Mann ist leider tot

Dieser Mann ist leider tot

Titel: Dieser Mann ist leider tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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singenden weiblichen Bariton ihre Osterbotschaft zu verlesen. Der Klang ihrer Stimme schien das ganze Erdgeschoß zu wärmen.
    »O meine amerikanischen Landsleute«, sagte sie, »was für ein glückverheißender Morgen dies ist. Ihnen, die Sie Christen sind, wünschen wir hier im Weißen Haus den freudenbringenden Segen der Auferstehung unseres Erlösers. Und wenn Sie einem anderen religiösen oder metaphysischen Glauben anhängen, ist der Tag immer noch ein glückverheißender.
    Heute nachmittag um ein Uhr östliche Standardzeit, in nur vier Stunden von jetzt an, wird der Choragus des seraphischen Chors, der sich vor beinahe acht Jahren auf unserem Mond niedergelassen hat, die Namen der sieben Erdenfamilien verkünden, die auserkoren sind, den Herkunftsplaneten im Binärsystem von Mira Ceti zu besuchen. An diesem wundervollen Aussichtspunkt werden die glücklichen Menschen Zeugen des wunderschönen Aufruhrs sein, mit dem Mira Ceti A die letzten Stadien seiner stellaren Entwicklung durchläuft – nur wenige Tage, bevor dieser Stern, dessen Durchmesser mehr als vierhundertmal so groß ist wie der unserer Sonne, als Supernova verlodert.
    Der Choragus versichert mir und allen anderen Führern der Erde, daß unsere menschlichen Vertreter vor der Bombardierung mit kosmischen Strahlen umfassend geschützt sein werden. Überdies werden sie nur sechs Monate nach ihrer Abreise wieder auf der Erde sein. Vergessen Sie die relativistischen Effekte, die Sie erst heimbringen würden, wenn wir alle, die wir Ihnen Lebewohl sagen, schon seit Jahrhunderten tot sind. Wie der Chor dies zu bewerkstelligen gedenkt, können wir nicht restlos begreifen – aber wie es scheint, werden unsere Reisenden durch denselben paradimensionalen Tunnel zum achten Planeten von Mira Ceti B gelangen, den auch der Chor benutzt hat, als er 1976 bei unserem Mond erschien.
    Warum hat der Choragus den Ostersonntag erwählt, um die Gewinner der Lotterie bekanntzugeben? Nun, die da auserkoren sind, Mira Ceti B VIII zu besuchen, werden, wie der Chor uns wiederholt erklärt hat, nicht nur den Todeskampf der größeren der beiden Sonnen in ihrem Binärsystsem miterleben, sondern überdies das greifbare Erscheinen des Göttlichen. Um genau zu sein: Die Manifestation des HEILIGEN, der den gesamten physikalischen Kosmos gefügt hat und der ihn selbst im Angesicht kataklysmischer galaktischer Gewalt aufrechterhält. Diese Gunst wird den intelligenten Bewohnern solcher Sonnensysteme gewährt, die zum Untergang in einer Supernova verurteilt sind, aber der Chor wünscht, sie mit der Menschheit zu teilen. Warum? Weil wir ihnen gestattet haben, auf unserem Mond Wohnung zu nehmen, und weil wir ihre fortschrittlichen Technologien und ihre weisen Erwägungen zu unseren zahlreichen politischen, ökonomischen und religiösen Konflikten so bereitwillig angenommen haben.«
    »Als ob wir da ’ne Wahl gehabt hätten«, sagt Cal.
    Nach der Osterbotschaft von Präsidentin Jordan rekapituliert der Nachrichtensprecher von Today die Ereignisse des vergangenen Tages und berichtet am Schluß von einem gemeinschaftlichen britisch-argentinischen Satellitenstart und der Einweihung eines palästinensisch-israelischen Fusionsreaktors auf den Golan-Höhen, der bereits Strom nach Israel und Syrien lieferte.
    Leah trat an Cals Seite und hakte sich bei ihm unter; sie schaute nur mit halber Aufmerksamkeit auf den Tri-D-Schirm. Sie dachte an den unheimlichen Abend im Jahr ’76, als der Chor – wie die meisten Menschen der englischsprachigen Welt die Aliens nannten – am Himmel über der Erde mit einem »Plopp« zum Vorschein gekommen waren. Sie waren durch ein paradimensionales Territorium gekommen, das ihre Freundin Erica Gipp als ›Id-Raster‹ bezeichnete. Oft kann der Verstand ein Problem besser durch Träume oder Tagträume lösen als durch bewußte Logik. Auf die gleiche Weise können Sternenreisende weite Distanzen besser überwinden, wenn sie die physikalische Ebene des Universums verlassen, statt auf seiner Oberfläche dahinzugleiten. Somit liegt – wenn der Raum wie der Geist bewußte und unbewußte Aspekte aufweist – der kürzeste Abstand zwischen Mira Ceta und der Sonne auf Ericas ›Id-Raster‹.
    Aber wie man ihre Ankunft auch erklären mag, der Chor erschien aus dem paradimensionalen Korridor an Bord einer transparenten Kugel, etwa so groß wie der Mond. Diese Kugel, die auf die Erde und ihre Gewässer keinen meßbaren Gravitationseffekt ausübte, näherte sich dem Mond; dann

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