Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dieser Mann ist leider tot

Dieser Mann ist leider tot

Titel: Dieser Mann ist leider tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
Vom Netzwerk:
bringen: Man übergibt seine Seele der Welt.
    Natürlich mag das Risiko geringer erscheinen, wenn kein Verlag das Buch veröffentlichen will, aber eigentlich ist es das nicht. Das Risiko liegt darin, daß ich mich in die jämmerlichen kleinen Leben einmische, die ich in meinen unveröffentlichten Werken zu kennzeichnen versuche. Es liegt darin, daß ich versuche, ihr betrübliches Kommen und Gehen dauerhaft aufzuzeichnen. Es liegt im Schreiben.
    Ich würde mehr sagen oder noch einmal schreiben und dann mehr sagen, aber ich will Sie nicht ebenfalls einem Risiko aussetzen. Ihre Reaktion auf meine Arbeit und Ihre finanzielle Unterstützung beweisen, daß Sie ein echter Mensch sind. Zu viele von denen, die heutzutage Macht über unser Leben haben, sind künstliche Menschen.
    Und so bin ich von Herzen der Ihre für eine bessere Zeit, später einmal, wenn die Leute verstehen.
     
    Der Name ›Philip K. Dick‹ stand natürlich in Maschinenschrift am Fuße dieses Briefes, aber darüber hatte der Mann »Phil« geschrieben, in einer lässigen, vorwärtsgeneigten Kursivschrift, die Cal das Herz erwärmte.
    Er schob den Brief wieder in den angeklebten Umschlag an der Innenseite des spiralgehefteten Deckels. Dann verschwand ›They Scan Us Darkly‹ mitsamt seinen anderen angehefteten Typoskripten wieder in der Kiste, und Cal schloß den Deckel, ließ das Vorhängeschloß zuschnappen und holte das Kissen aus der Diele, um es wieder auf die Kiste zu legen, damit, wenn es nötig wäre, eine müde, verlorene Seele darauf sitzen könnte.
    Cal setzte sich und ließ die Hände zwischen den Knien baumeln. Draußen fing Viking an zu heulen – ein unheimliches, kummervolles Klagen.
    Genauso fühle ich mich auch, dachte Cal. Du hast es haargenau getroffen.
    Irgendwie mußte er seinen Schmerz lindern. Wenn nicht lindern, dann artikulieren. Er hatte es versucht, indem er mit Viking gesprochen hatte, aber Viking hatte ihm aus heiterem Himmel diese hundsmiserable Bemerkung über seine Eltern um die Ohren gehauen, und damit war der Versuch beim Teufel gewesen. Und was jetzt? Was sollte er tun, um seinem Schmerz Ausdruck zu geben, bis Lia nach Hause käme und er seine Frau in die Arme nehmen könnte, als Puffer gegen die Herzlosigkeit der Welt?
    Ein Gedicht, dachte Cal. Eine Elegie. Setz dich hin und schreib eine Elegie für Philip K. Dick.
    Diese Idee erregte ihn. (Auf der Veranda heulte Viking immer jämmerlicher.) Er ging zu Lias Schreibtisch und nahm einen Block gelbes Kanzleipapier aus einer Schublade. Dann griff er nach einem Stift und setzte sich zurecht, so daß seine Elegie an Dick auf die länglichen Blätter fließen könnte, mühelos wie die Tränen eines von der Trauer überwältigten Kindes.
    Nichts geschah.
    Cal wartete und dachte einstweilen eifrig nach, aber das Gedicht wollte nicht kommen. Es regte sich Inspiration, aber es waren nur Regungen, und Vikings fortgesetztes Heulen trug nicht zur Erweckung seiner schöpferischen Kraft bei. Er entzog sich ihm, indem er noch einmal an Dicks wundervollen Brief und an all die unbekannten Meisterwerke in seiner Kiste dachte.
    Und endlich hatte er eine vernünftige erste Zeile und eine gute zweite gleich dazu.
     
    Philip K. Dick – dieser Mann ist leider tot,
    Einen Tritt in den Arsch verdienst Du dafür, lieber Gott. [1]
     
    Aber nachdem er diesen Vers aufgeschrieben hatte, blieb Cal wieder stecken und wußte nicht, wie es weitergehen sollte. »Klar, daß in einer so öden Welt«, sinnierte er und erprobte die Worte laut. Und gleich darauf: »… dem Präsidenten dein Stil nicht gefällt.« Sie reimten sich, diese Fortsetzungen, aber sie trafen nicht. Cal hätte sie wieder durchgestrichen, wenn er sie hingeschrieben hätte, aber die Mühe hatte er sich gespart. Es war Mist. Er wußte, daß es Mist war.
    Und so kam er zu dem Schluß, daß die beiden Zeilen, die er aufgeschrieben hatte – »Philip K. Dick – dieser Mann ist leider tot, / Einen Tritt in den Arsch verdienst Du dafür, lieber Gott« – alles, was er zum Tode von Phil Dick zu sagen hatte, perfekt umfaßten. Sie hatten Reim und Rhythmus, und sie drückten seinen Schmerz über den Verlust ebenso aus wie seine Verbitterung. Was konnte man mehr verlangen? Cal stand auf, die Elegie in der Hand, und deklamierte sie vor dem Zimmer mit einer Stimme so tief und melodiös wie das Meer.
    Auf der Veranda heulte Viking.
    »Halt die Klappe, du Woolworth-Wolf!« schrie Cal. »Verflucht noch mal, halt endlich deine winselnde

Weitere Kostenlose Bücher