Dieser Mann ist leider tot
hält … ah, diese Neuigkeit hat ihn die Realität dieser irrealen Situation mit einem Schlag begreifen lassen.
»Schau nur. Dein Käpt’n Standhaft steht auf halbmast.«
»Sei nicht flapsig. Etwas Unglaubliches ist passiert.«
»Das weiß ich. Und du hast mir soeben erzählt, ich sei heute von einem Toten besucht worden. Von einem Geist, nehme ich an.« Aber nein, nicht von einem Geist. Lia erinnert sich an Shawandas Worte: Kai müsse ihnen in einem »Auferstehungskörper« erschienen sein. Wie hätte er sonst Kaffee trinken sollen? Und wieso hätte er Shawanda davor warnen sollen, ihn zu berühren.
»Phil Dick hat dich besucht, und er hat gesagt, ich sei der Grund. Du hast alles auf Tonband, nicht wahr?«
»Käpt’n Standhaft ist degradiert. Du kannst ihn Maat Schlapp nennen.«
»Lia!«
»Reg dich nicht auf! Meine Geschichte hat dich nicht interessiert, bis du begreifst, daß Kai nach dir gefragt hat. Da leuchten deine Augen auf, und dein Ruder geht baden.«
Was für ein Ego die Männer doch haben. Sie sind außerstande, mit jemandem zur Empathie zu gelangen, wenn dessen Probleme nicht auch ihre eigenen berühren. Abstrakte Sympathie, Mitgefühl auf Distanz … eher kann man von einem Piranha erwarten, daß er vor dem Essen betet, als daß ein männlicher Mensch jemals solch selbstlose Freundlichkeit an den Tag legte. Wieder ein Beispiel für die ›Ich zuerst‹-Mentalität, die Viking auf die Veranda geschickt hat.
»Lia, ich habe gefragt, ob du alles auf Band hast.«
»In meiner Aktentasche. Nachdem ich gehört hatte, was Kai – Philip K. Dick – über King Richard zu sagen hatte, war ich nicht bereit, das Band in der Praxis zu lassen.«
Tropfnaß schiebt Cal den Duschvorhang beiseite, steigt über den Rand der Duschschüssel und verläßt mit blankem Arsch das Bad.
»Cal!« Verdammt, denkt Lia. Du machst alles naß. Sie dreht die Wasserhähne ab, tastet nach einem Handtuch, trocknet, als sie eins gefunden hat, ihren Oberkörper ab und hüllt sich dann hinein wie in eine Toga.
Cal kommt zurück, stellt den Kassettenrecorder auf den Waschtisch, setzt sich auf den rosa Klodeckel und schaltet den Recorder ein.
»Du wirst einen Schlag kriegen. Und wahrscheinlich hast du alle meine Notizen und Aufzeichnungen naßgemacht.«
»Da ist nichts passiert – ich war sehr vorsichtig. Und das Ding hier läuft auf Batterien. Laß mich mal hören, okay?«
»Wir ziehen uns an und essen etwas. Du hast nicht zufällig etwas gekocht während deiner langen Reise durch den Nachmittag bis zur Abendbrotzeit?«
Wohl kaum, entscheidet Lia. Du bist heute wie besessen – eine Ein-Schienen-Lokomotive, die holterdipolter nach … – ja, wohin eigentlich? – rattert. Einem Frontalzusammenstoß mit einer selbstannullierenden Illogikalität entgegen. Keinesfalls denkst du heute daran, Eier aufzuschlagen oder Hamburger zu braten.
Während sie darauf wartet, daß das Band anfängt, zittert Lia mehr, als die Kühle in der Wohnung es erfordert. Denn was du eigentlich befürchtest, gesteht sie sich ein, ist die Möglichkeit, daß außerhalb deiner Praxis gar nichts drauf ist. Und wenn nicht, wird Cal behaupten, du seist ausgeflippt. Er wird dich aufziehen: Du seist stoned vom Curry-Huhn im ›Victorian Tea Room‹. Du hast ihm Vorhaltungen gemacht, weil er Gras geraucht hat, aber in seinem tetrahydrocannabinolgeförderten Trip hat er nicht halb so verrückte Visionen entwickelt wie deine Geschichte von dem Amnesiker, der heute morgen hereinspaziert kam.
Lia wartet, und fast hält sie den Atem an.
Dann fängt das Tonband an, und die erste Stimme, die sie hört, ist ihre eigene – »Wie sind Sie hergekommen?« –, gefolgt beinahe unmittelbar von Kais Antwort – »Mit dem Taxi aus Atlanta.« Die Minispulen in der Kassette drehen sich weiter, und weitere Worte ertönen aus den winzigen Lautsprechern des Recorders. Ein machtvolles Gefühl der Dankbarkeit erfaßt Lia, und sie murmelt: »Es ist real. Wir haben die Bestätigung.«
»Das ist zweifellos Phil Dick.«
»Woher weißt du das?«
»Vor langer Zeit einmal, in Snowy Falls, habe ich eine Bandaufnahme von ihm gehört. Der Typ, der das Original von ›They Scan Us Darkly, Don’t They?‹ hatte, schmuggelte sie aus Fullerton heraus und spielte sie mir in der Fahrerkabine seines Pick-up vor. Dick redete über Jung und solches Zeug. Das hier ist dieselbe Stimme. Das ist zweifellos der Mann, der berühmt ist für ›Confessions of a Crap Artist‹ und andere Meisterwerke
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