Dieser Mann ist leider tot
die Reindoktrinationsverfügung aussetzen. Wenn Sie feststellen können, daß er tatsächlich illegale Kopien von unveröffentlichten Dick-Romanen besitzt, und wenn Sie sie zu mir bringen, dann gebe ich Ihnen feierlich mein Wort, daß Sie nie wieder eine solche Verfügung erhalten werden – egal, wie lange Sie leben und wie bescheiden Ihr Einkommen ist. Verstanden?«
»Zu Ihnen bringen? Soll ich sie stehlen?«
»Es muß sich um Samisdat-Publikationen handeln, Loan. Es verstößt gegen den Zusatz zum Grundrechtekatalog, irgendwelche Literatur in dieser verbotenen Form zu besitzen. Womit bewiesen wäre: Sie stehlen nicht – Sie beschlagnahmen Beweismaterial.«
»Beweismaterial wofür?«
»Für ein Bundesgerichtsverfahren.«
Mein Gott, überlegte Lone Boy, das ist schweres Geschütz. Und dabei arbeitet der arme Kerl heute bloß in einer Tierhandlung.
»Ist diese Person Calvin Pickford ein Freund von Ihnen?«
»Nein«, sagte Loan hastig. »Meistens sehe ich ihn nur, wenn er zum Stöbern hereinkommt, vielleicht alle zwei Tage mal.«
»Er vertraut Ihnen?«
»Vertrauen ist bei uns nicht im Spiel. In unserem Verhältnis, meine ich. Er hält mich wahrscheinlich für einen lausigen Bücherverkäufer. Aber wir hegen keinen besonderen Groll gegeneinander. Er macht seinen Kram, und ich mache meinen.«
»Und wird der ›Kram‹, den Sie machen, in Zukunft auch enthalten, daß Sie ein Auge auf Mr. Pickford haben?«
»Ja, okay«, brachte Lone Boy hervor.
»Und daß Sie versuchen, diese aufrührerischen Photokopien in die Hände zu bekommen?«
»Ich denke schon.«
»Gut. Halten Sie mich auf dem laufenden. Rufen Sie mich hier irgendwann abends nach elf Uhr an.«
Das Gespräch war zu Ende. Lone Boy schleppte das Aquarium und seine zwei nackten Bewohner hinaus zu Miss Graces Wagen (einem prachtvollen Stück erstklassiger Motorbaukunst), und dann drückte er sich so dicht wie möglich an die Beifahrertür, während sie ihn nach Hause fuhr. Ich bin ein Spitzel, dachte er. Ein Inlandsspion. Mein Lohn ist die lebenslange Befreiung von der Reindoktrination. Wenn dieser verrückte Cal Pickford sich über die Gesetze hinwegsetzt, verdient er, was er kriegt. Und wenn ich ihn nicht bespitzeln würde, täte es jemand anderes …
»Ich finde das Zeug von Philip K. Dick beschissen«, sagte er, nur um in dem geschmeidig schnurrenden Caddy Konversation zu treiben.
»Einige der veröffentlichten Romane sind okay. ’59 habe ich sogar einmal in einer Verfilmung mitgespielt. Meine zweite Hauptrolle. ›The Broken Bubble of Thisbe Holt.‹«
»Hab ich nie gesehen«, gestand Lone Boy. »Nicht mal im Fernsehen.«
»Werden Sie auch nicht. Es war ein Flop. Das war allerdings nicht Phil Dicks Schuld – es lag am Drehbuchautor und am Regisseur. Sobald ich es mir leisten konnte, habe ich alle Kopien aufgekauft. Ich glaube, Dick war mir dafür ewig dankbar. Nur schade, daß er in den sechziger Jahren abhob und anfing, diesen haßerfüllten, ausgeflippten Mist zu schreiben.«
»Ich mußte ›Puttering About in a Small Land‹ lesen – Sie wissen schon, für meine Amerikulturation. Hat Ihnen das gefallen?«
»Ich hab’s nie gelesen. Selbstverständlich habe ich das Curriculum für die Zentren nicht entwickelt. Das habe ich von Profis erledigen lassen. Meine Filmkarriere lief damals ziemlich gut, und ich war zu beschäftigt, um mich um Einzelheiten zu kümmern. Heute bin ich sehr viel stärker engagiert.«
Sie ließ ihn im Dunkeln vor seinem Apartment aussteigen, in dem Teil der Stadt, wo die heruntergekommenen Behausungen für ehemalige Fabrikarbeiter angesiedelt waren. Loan begab sich im Entengang den rissigen Gehweg hinauf; er hatte ja die Breschnew-Bären in ihrem Aquarium zu tragen. Triny und Tracy waren zu seinem Verdruß noch wach und warteten auf ihn. Während der nächsten Stunde spielten sie mit den Breschnew-Bären, während Lone Boy seiner Frau erklärte, daß er sich nicht zur Reindoktrination werde melden müssen, weil Miss Grace zu dem Schluß gekommen sei, daß sie jetzt am Rande des Wohlstandes einhersegelten.
»Das ist doch lächerlich«, meinte Tuyet.
Lone Boy wußte, daß es lächerlich war, aber es war seine Geschichte. Es wollte ihm keine andere glaubhafte Lüge einfallen, um die Tatsache zu verhüllen, daß er demnächst einen Mann bespitzeln würde, der anscheinend nichts anders zu tun versuchte als er selbst – sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen und sich ein besseres Leben aufzubauen. Später, als er in
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