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Dieser Mann ist leider tot

Dieser Mann ist leider tot

Titel: Dieser Mann ist leider tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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daß Kai sich für diese melodramatische Art der Ankunft entscheiden könnte, muß Lia lachen. Dann läßt sie den Sprechknopf los, lehnt sich in ihrem Stuhl zurück und wartet darauf, daß der Tag anfängt. Bis jetzt hat sie heute morgen einfach nur alte Fälle durchgesehen und mit dem Gedanken gespielt, einen Stipendiumsantrag zu stellen.
    Kai, denkt Lia sich, wird nicht wiederkommen. Seit der Sitzung in der letzten Woche ist er noch zweimal erschienen – wenn ›erschienen‹ das richtige Wort ist –, aber nur für Cal: Einmal als sprechender Nimbus rund um ihre Mutter im Pflegeheim, und dann als Stimme von ›Mein bester Quetscher‹ in der Tierhandlung.
    Als er durch die Schlange sprach, hat Kai angedeutet, daß er nun Geisterurlaub nehme und daß Cal und Lia ihm am besten helfen könnten, indem sie Krieg gegen die Entropie führten. Wie immer man das anfangen soll, zum Teufel.
    Ich führe Krieg gegen die Entropie, denkt Lia, indem ich Menschen berate und Geld für meine Dienste bekomme. Aber ich kann weder das eine noch das andere, wenn ich keine Klienten habe.
    Sie wünscht sich, Kai käme wieder die Treppe herauf und in ihr Sprechzimmer. Sie ist sogar bereit, sich damit zu begnügen, daß er selbstzufrieden in ihrem Sessel Gestalt annimmt. Solange er überhaupt kommt, wird sie wegen der Art und Weise seines Erscheinens keine Bedingungen stellen. Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul, und manchmal glaubt sie schon, daß sie mit der Praxis in Warm Springs auf geschenkte Gäule angewiesen sein wird.
    In den sechs Tagen seit Kais letztem Erscheinen ist die Welt wieder in den Normalzustand zurückgekehrt. Lokal gesehen, bedeutet ›normal‹, daß Lia es im Durchschnitt auf wenig mehr als zwei Klienten und eine Weiterüberweisung pro Tag bringt.
    Auf die große weite Welt bezogen (Lia überfliegt die einzelnen Teile der Atlanta Constitution von heute), bedeutet ›normal‹, daß Argentinien und Großbritannien im Begriff sind, um den Besitz der Falkland-Inseln einen Krieg zu führen. Eine Operetten-Balgerei in der Dämmerung der Mondbasen-Ära. Erstaunlich.
    Ansonsten – das Kriegsrecht in Polen besteht im vierten Monat. Afghanische Gegner der sowjetischen Marionetten in Kabul beschießen ihre Unterdrücker weiter aus dem Hinterhalt. Im Iran hat der erfindungsreiche Sohn des verstorbenen Reza Pahlewi einen neuerlichen Putschversuch islamischer Fundamentalisten niedergeschlagen. Unterdessen plädiert Joel Hinckley, Jr., in Washington D.C. auf »nicht schuldig wegen Geisteskrankheit« in einem Prozeß am Bundesgerichtshof wegen seines versuchten Anschlags auf Präsident Nixon im Jahr 1981.
    »Joel«, brummt Lia, »du bist erledigt.«
    Vier weitere Personen haben seit 1975 versucht, den Präsidenten zu ermorden: Squeaky Fromme, ein unzulänglich amerikulturierter Vietnamese namens Mai That, Sarah Jane Moore sowie ein Mitglied der Beach Boys aus Wut über das Limit von vier Konzerten pro Jahr, das Rockgruppen durch eine willkürliche Verlängerung des Pop-Darbietungs-Lizenzgesetzes aus dem Jahr 1971, die nach dem Krieg vorgenommen worden war, auferlegt wurde. Alle diese Möchtegern-Attentäter haben ihre Dreistigkeit damit bezahlt, daß sie auf dem elektrischen Stuhl Platz genommen haben, und Lia zweifelt kaum daran, daß Joel Hinckley, Jr., (der angeblich auf King Richard geschossen hat, um die Hauptdarstellerin einer populären Fernsehserie über Kongreßpagen mit dem Titel ›Right This Way, Mr. Dailey‹ zu beeindrucken) dort ebenfalls braten wird.
    Wenn die Regierung mich doch nur mit gescheiterten Attentätern arbeiten ließe, denkt Lia. Ich könnte mir einen halbwegs anständigen Lebensunterhalt verdienen.
    Was Cal angeht, hat er sich darin vertieft, seine Dickiana wiederzulesen. Seit seinem Gespräch mit dem Quetscher hat er pro Abend einen Roman gelesen; angefangen hat er mit ›The Doctor in High Dungeon‹, und weiter ging es mit ›Do Androids Dream of Electric Veeps?‹, ›Flow My Tears, the Policeman Said‹ und ›No-Knock Nocturne‹ und den Schluß bildeten ›They Scan Us Darkly, Don’t They?‹ und ›The Dream-Impeachment of Harper Mocton‹.
    Dieser letzte Roman hat Cal mit besonderer Wucht angesprochen; gestern abend, als sie im Bett lagen – Viking neben ihnen auf dem Teppich ausgestreckt –, hat er ihr immer wieder Abschnitte daraus laut vorgelesen und wiederholt ihre ohnedies sprunghafte Aufmerksamkeit durchbrochen, mit der sie sich einem Aufsatz im Journal of Clinical

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