Dieser Mann ist leider tot
nur eins seiner Bücher auf Mikrofiche, ›The Man Whose Teeth Were All Exactly Alike‹, und ich wollte es gerade noch mal rasch durchblättern, um alter Zeiten willen.«
»Philip K. Dick«, sagte Vear.
»Du kennst ihn?«
»Mein Bruder Frank hat mir ›Valis‹ geschenkt, bevor der Medienzensurausschuß die zweite Auflage beschlagnahmen ließ. Ich hab’s natürlich nicht mit heraufbringen können, aber ich hab’s gelesen.«
»›Valis‹ war sein letztes Buch, Gordon. Verschrobenes, undurchdringliches Zeug. Atypisch. Er flog ein paar Jahre, nachdem Kennedy erschossen worden war, geistig aus den Gleisen und bekam nach einer halben Katastrophe namens ›Nicholas and the Higs‹ nichts mehr gedruckt – wenn man ›Valis‹ außer acht läßt. Das hier« – er tippte an das Lesegerät – »na, da ist Dick so ziemlich auf der Höhe seines Talents. Er war, als ich Teenager war, ein Lieblingsautor von mir. William Golding, J.D. Slazenger und Philip K. Dick. Die ganz persönlichen Großen Drei des jungen Peter Dahlquist.«
»Ich kann nicht glauben, daß du irgend etwas anderes gelesen haben sollst als Physiktexte und Mathebücher, Dolly.«
»Glaub’s nur. Ich war meiner Zeit voraus, Gordon. Oder hinter ihr zurück. Ein im Gobelin gefärbter Renaissance-Mensch.«
Vear fühlte sich merkwürdig berührt von der nostalgischen Erinnerung seines Zimmergenossen an einen Schriftsteller, der ihm wichtig gewesen war, als er noch zur High School gegangen war, und er fragte sich laut, ob Dolly sich von der Mikrofiche-Karte mit ›The Man Whose Teeth Were All Exactly Alike‹ Notizen mache.
»Nein, nein«, erwiderte Dahlquist hastig. »Nichts dergleichen.«
»Was denn?«
»Na, ich habe letzte Nacht nicht allzu gut geschlafen – ich mußte immer daran denken, daß Dick schrecklich jung gestorben ist – mit dreiundfünfzig.«
Im selben Alter ist Thomas Merton gestorben, dachte Vear.
»Worüber ich nachdenken wollte, war, daß ich – in meiner Freizeit – einen Schwarm Spielzeugvögel bauen wollte, damit jeder in Von Braunville einen bekommen könnte, aber statt dessen dachte ich immer wieder an Philip K. Dick und daran, was für einen unfairen Lauf sein Leben genommen hat. Wie unfair sein früher Tod ist.«
»Und?« drängte Vear.
»Und da dachte ich, ich schreibe etwas, das diese Dinge ausdrückt. Ich habe versucht, sie auszudrücken. Ich habe gekreißt, als ob ich einen Berg gebären müßte, Gordon, und was ich hervorgequetscht habe, waren zwei alberne Verszeilen. Und da bin ich schließlich aufgestanden und habe sie auf meinen Block notiert.«
»Dann laß hören!«
»Du wirst entweder lachen oder sauer sein. Wenn du nicht gerade ein niederträchtiger Halunke bist, Gordon, dann bist du die Quintessenz eines Katholiken.«
»Ich werde nicht lachen, und ich werde nicht sauer sein.«
Sie trieben die Sache ein Weilchen hin und her; Vear hatte das Gefühl, es sei von entscheidender Bedeutung, daß Dolly ihm die Verse vorlas, die er komponiert hatte, und schließlich kapitulierte der Tortenstückgefährte und las: »Philip K. Dick – dieser Mann ist leider tot. / Einen Tritt in den Arsch verdienst Du dafür, lieber Gott.«
13 Lia drückt auf die Taste ihrer Gegensprechanlage. »Shawanda, ist er schon hier?«
»Nein, Ma’am. Niemand ist hier. Niemand außer mir jedenfalls.«
»Sagen Sie mir Bescheid, sobald er kommt.«
»Wenn er kommt, Ma’am – wär’s Ihnen dann recht, wenn ich rasch zum ›Victorian Tea Room‹ rüberspringe und mir ein Brötchen hole?«
»Wofür? Sie haben doch schon gefrühstückt, und bis zum Mittag sind’s noch zwei Stunden.«
»Ich will nicht noch mal zusehen, wie der unheimliche Weiße seine Geisterverschwindenummer abzieht. Hab ungefähr neun Alpträume gehabt, seit es passiert ist, und ich hab keine Lust, das noch ’ne Woche durchzumachen.«
Lia seufzt. »Ich bezahle Sie dafür, daß Sie in der Praxis bleiben, Shawanda.«
»Jawohl, Ma’am.«
»Wenn wir Glück haben, kommt er sowieso nicht wieder. Es ist nur, daß … Sie wissen schon – wie die Dinge liegen, wäre es nett, wenn überhaupt jemand hier hereingetaumelt käme, und wenn es ein toter Amnesiker in einem Auferstehungskörper wäre.«
»Vor allem, wenn er diese dicke Brieftasche bei sich hat.«
»Lassen Sie es mich nur wissen, wenn er wieder auftaucht.«
»Vielleicht erscheint er einfach so bei Ihnen da drinnen, ohne daß er die Tür benutzt.«
»Gott hoffentlich nicht.«
Aber als sie sich vorstellt,
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