Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dieser Mann ist leider tot

Dieser Mann ist leider tot

Titel: Dieser Mann ist leider tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
Vom Netzwerk:
Vear blinzelte, versuchte aufzustehen. Stanfield hielt ihn unten und hantierte weiter an den PLSS-Anschlüssen herum.
    Wenn die beiden Männer sprachen, summten ihre Stimmen in der Schachtel hinter Vears Sichtscheibe umher wie zwei wütende Bienen. Er entspannte sich und ließ seine Kollegen tun, was sie tun mußten, um ihn zurückzuholen in … ja, wohin? In die Realität, vermutete er. Die geistbetäubende Realität des Lebens auf dem Mond. Die gespenstisch schöne Realität der monochromen Flächen des Satelliten und seiner fließenden Purpurschatten.
    Abwechselnd fluchend und scherzend, führten sie ihn an der Kraterwand entlang hinunter und in die Kuppel des Hauptquartiers, wo Vear, so weit wiederhergestellt, wie er es an diesem Tage sein würde, zuhören mußte, wie Commander Logan ihn einen inkompetenten Trottel nannte, eine Gefahr für die Moral der Mondbasis und einen gedankenlosen Verschwender von Ressourcen, die für das Überleben jeder Person, die in der Einrichtung Dienst tut – nicht bloß Gordon Vears, sondern jeder Person! – unentbehrlich waren. Die Charakterisierung als inkompetenter Trottel schmerzte Vear mehr als alles andere, und kaum daß Logan sie ausgesprochen hatte, ließ er den ganzen übrigen Quatsch an sich vorbeiwehen wie Zeitungen von gestern in einer windigen Straße in der Stadt.
    Wenn man sich soeben auf den Großmufti der Vereinigten Staaten gestürzt hatte, um ihn umzubringen, dann war es eine unerträgliche Antiklimax, jetzt das Gesabber einer Nichtperson wie Logan anhören zu müssen.
    Später absolvierte Vear eine lange Sitzung mit Dr. Erica Zola, einer Kognitionspsychotherapeutin, die sich angestrengt bemühte, festzustellen, ob er hinausgegangen war, um mit Gott zu kommunizieren, wie er hartnäckig behauptete, oder um einen Roland Nyby zu bauen, was er zutiefst verdrossen hitzig bestritt. Er berichtete Dr. Zola, daß er auf dem diesseitigen Rand von Censorinus einen schwarzen Zwerg in Bluejeans gesehen habe und daß Richard Nixon in seine und Dollys Zelle gekommen sei, um ihn zu fragen, ob er für die NASA die Mission ›Minen auf den Monden des Mars‹ leiten wolle. Ihm sei klar, daß die Nixon-Episode die Folge einer »lunaren Entrückung« gewesen war – wenn man die Sache irgendwie bezeichnen wollte –, denn er habe sich von Erschöpfung überwältigen lassen und sei gar nicht mehr hereingekommen. Aber die Erscheinung des Zwerges – nun, diese Episode könne sich tatsächlich zugetragen haben. Den Homunculus habe er schließlich schon kurz nach Beginn seines Ausflugs gesehen, und er habe sich schon da gefragt, ob er halluziniere, habe diese Möglichkeit aber verworfen, weil er die krüppelhafte Gestalt so scharf konturiert über sich gesehen habe.
    »Ihnen ist klar, daß es ebenfalls eine Illusion gewesen sein muß«, gab Dr. Zola dem Major zu bedenken. »Niemand, ob Riese oder Zwerg, Bauer oder Präsident, kann in Straßenkleidung auf der Oberfläche des Mondes überleben.«
    »Das ist die Volksweisheit.«
    Dr. Zola, eine kleine Frau mit großen Augen und besorgniserregend verfärbten Zähnen, lachte. Sie hatte ein mächtiges Lachen für eine so kleine Frau. Es brachte auch Vear zum Lachen, und er lachte gern mit ihr, obgleich ihr Gelächter unvermeidlich die Glaubwürdigkeit seiner ›Nanophanie‹ sabotierte – wie sie es scherzhaft nannte; sie erklärte ihm, das Wort basiere auf ›Theophanie‹ – die sichtbare Manifestation einer Gottheit –, aber ›Nanophanie‹ bedeute die ›sichtbare Manifestation eines unmöglichen Zwerges‹. Worüber sie beide von neuem kichern mußten, und schließlich endete die Sitzung in einem leisen Witzfest und beruhigendem Smalltalk.
    »Okay«, sagte Vear schließlich. »Was werden Sie dem Boss sagen?«
    »Ich kann Ihnen den Inhalt Ihrer letzten psychologischen Profilanalyse nicht offenbaren, Major. Das wissen Sie.«
    »Kommen Sie, Ma’am. Wir sind Freunde, oder?«
    »Sie sind kein hoffnungsloser Neurotiker, wenn Ihnen das hilft. Sie haben ein schlimmes Erlebnis gehabt. Sie trauern immer noch um Nyby. Sie haben eine Menge unbewältigter Schuldgefühle wegen Ihrer Behandlung der Angelegenheit. Aber ich werde nicht empfehlen, Sie nach Hause zu schicken.«
    »Ich gebe Ihnen meinen nächsten Gehaltsscheck.«
    Und wieder lachten sie beide, denn Vear hatte kein Verlangen danach, zur Erde zurückzukehren, bevor seine volle Dienstzeit um war, was immer er dem Präsidenten in seinem sauerstofflechzenden Traum auf dem Rand des Kraters

Weitere Kostenlose Bücher