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Dieser Mann ist leider tot

Dieser Mann ist leider tot

Titel: Dieser Mann ist leider tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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kannst du das nicht«, meinte Cal. »Darum ist es ja komisch.«
    »Komisch? Du findest das komisch? Einen Präsidenten, der zugibt, daß er jemanden zu unrecht beschuldigt hat? Einen Präsidenten, der uns mit Schimpfnamen belegt?«
    »Na klar. Und du auch. Bloß ist es komisch auf eine wirklich furchtbare Art, von der du befürchtest, daß sie wahr sein könnte.«
    »Cal, du bist …«
    »Hör zu, Lia Liebling. Hör zu!«
     
    Mocton konnte nicht glauben, daß er so etwas laut sagte. Zum ersten, weil es ihn wie ein Monster erscheinen ließ, zum zweiten, weil es entweder einfach wahr war, oder weil seine verborgenen Gefühle es als schmerzlich wahr empfanden. Er stellte fest, daß er diese schädlichen Offenbarungen nur vermeiden konnte, wenn er sich weigerte, über den Äther oder in der Öffentlichkeit zu sprechen; und nach kurzer Zeit faßte er, um sich nicht weiter selbst zu belasten, den traurigen Entschluß, sich ins Weiße Haus einzusperren.
    Unterdessen fuhr Gipp fort, die TV- und Computer-Bildschirme der Nation mit seiner unterschwelligen Botschaft zu besenden: MOCTON IST EIN LÜGNER. TRÄUMT IHN DER GERECHTIGKEIT ZU. Und jeder, der von Mocton unterdrückt wurde, träumte weiter seinen Sturz. Hunderte Millionen von Träumen hinterließen einen Eindruck auf der Wirklichkeit, und Mocton spürte, wie sie seine Herrschaft dem Ende entgegenkrümmten, wie sie ganze Tage, Wochen und Monate von seiner ansonsten festen Präsidentschaft abschlugen.
    Am Ende beschloß Mocton, einen letzten Versuch zu unternehmen, der Nation entgegenzutreten und seine Reputation zu retten. Voller Angst davor, daß er sich wiederum verraten könnte, studierte er seine Notizen; er prüfte seine Stimme und merkte, daß er sich ziemlich gut fühlte. Vielleicht schaffe ich es doch noch, dachte er. Doch als das Rotlicht der Kamera aufleuchtete, öffnete er den Mund und verströmte eine sinnlose Salve cartoonhafter Ententöne: »Quack, Quack, Quack, Quack, Quack.«
     
    Hier hörte Cal auf vorzulesen. Der Roman, erzählte er, zeige nun, wie Gipp und eine Koalition von Träumern Mocton vor einem Senatsausschuß für seine Verbrechen zur Verantwortung ziehen. Dieses Verfahren findet ›tatsächlich‹ nur in den Köpfen der Beteiligten statt. Es ist zwar ein guter Traum für diejenigen, die das Recht vertreten, aber es ist ein Alptraum für Harper Mocton.
    Am Ende richtet Gipp, der Vertreter der Anklage in dem Traumprozeß, den Finger auf Mocton. »Ihre Strafe ist dies: Ihres Amtes beraubt, werden Sie hinausziehen und die Verachtung Ihrer Opfer ernten. Das ist alles. Aber weil Ihre Opfer beinahe ohne Zahl sind, ist es vielleicht mehr als genug.«
    Nach der Traum-Anklage verliert Mocton seine erste Volksabstimmung. Nicht lange, und er wandert über das kontinentale Festland, eine Bettlerschale in der Hand. Viele Menschen haben Mitleid mit ihm und geben ihm etwas, aber jedes Almosen ist eine so große Züchtigung für ihn, daß er im letzten Absatz von Dicks Roman nur noch ein Geist ist, der über das Land weht: Seine Substanz ist völlig aufgezehrt von der Barmherzigkeit der Menschen, von denen er erwartet hat, daß sie ihn bespucken und beschimpfen würden.
    »Ah«, sagte Lia. »Eine Allegorie.«
    »Alle unveröffentlichten Romane Dicks sind Allegorien. Aber dieses hier ist ein so klarer Spiegel unserer Gegenwart, daß man fast sagen kann, er ist eine Art Linse, durch die wir unsere eigene Zeit betrachten und entscheiden, was zu tun ist.«
    »Genau. Wir träumen Richard Nixon aus dem Amt.«
    »Lia, lies deinen verdammten Artikel. Er ist ein Dreck, verglichen mit dem, was ich lese, aber vielleicht hindert er dich daran, solchen Stuß zu reden.«
    »Sei nicht so herablassend zu mir. Niemand träumt einen schlechten Präsidenten zum Rücktritt.«
    »Schau, das Träumen in Harper Mocton ist ein Symbol für gemeinsames Handeln – eine kooperative Aktion. Nimm doch nicht alles so hundertprozentig buchstäblich.«
    »Aber Cal – unsere Situation und Dicks sind keine Spiegelbilder. Nixon ist populär. Die meisten Amerikaner wollen ihn nicht feuern – aus dem Amt träumen. Du vielleicht, aber du bist auch ein atypischer Amerikaner.«
    Und dann diskutierten sie über das Ausmaß, in dem Präsident Nixon sich auf eine Graswurzelunterstützung verlassen konnte. Lia vertrat die Ansicht, daß er Franklin Roosevelt auf der Höhe seiner Beliebtheit gleichkomme, während Cal behauptete, daß fünf Mordanschläge in acht Jahren nur bewiesen, daß am Grunde der

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