Dieser Mann macht mich verrückt
Sie holte das kleinere Fahrrad aus dem Stall und steuerte den Highway an. Bei jeder Steigung glaubte sie, ein Gebirge zu erklimmen. Noch bevor sie die Stadt erreichte, schmerzten ihre Lungen. Als sie den letzten Grat überquerte und die Abfahrt nach Garrison begann, hatten sich ihre Beine in verkochte Spaghetti verwandelt.
Wie sich herausstellte, war auch Nita Garrison eine Frühaufsteherin. Blue stand in der vollgestopften Küche und beobachtete die Hausherrin, die auf einer getoasteten Waffel herumstocherte. »Für eine Leinwand, einen Meter im Quadrat, verlange ich vierhundert Dollar. Zweihundert im Voraus. Akzeptieren Sie‘s, oder lassen Sie‘s bleiben.«
»Peanuts«, erwiderte Nita. »Eigentlich hatte ich mit einer größeren Summe gerechnet.«
»Außerdem müssen Sie mir für meine Arbeit einen Raum zur Verfügung stellen.« Blue verdrängte alle Erinnerungen an den Zigeunerwagen. »Bevor ich anfange, will ich Tango besser kennen lernen, um seine wahre Persönlichkeit einzufangen.«
Der Hund öffnete ein schweres Lid, starrte sie mit einem wässerigen Auge an, und Nitas Kopf fuhr so schnell herum, dass Blue fürchtete, die Perücke würde herunterfallen. »Was, Sie wollen hier malen? In meinem Haus?«
Es war das Letzte, was Blue wünschte, aber unvermeidlich nach allem, was geschehen war. »Ja, sonst kann ich Ihnen kein erstklassiges Kunstwerk anbieten.«
Mit einem knotigen Finger, an dem Diamanten und Rubine glitzerten, zeigte Nita zum Herd. »Glauben Sie bloß nicht, Sie könnten Ihr ganzes Zeug in der Küche ausbreiten.«
»Sicher wäre Ihre Küche in meiner Obhut viel besser dran.«
Nita warf Blue einen berechnenden Blick zu, der nichts Gutes verhieß. »Bringen Sie mir meinen rosa Pullover. Der liegt oben im Schlafzimmer. Und vergreifen Sie sich nicht an meinem Schmuck. Wenn Sie irgendwas anrühren, werde ich das merken.«
In Gedanken schnitt Blue das schwarze Herz der alten Frau mit einem scharfen Messer auseinander und ging durch das vollgeräumte Wohnzimmer zur Treppe. Um das Porträt zu vollenden, würde sie nur eine Woche brauchen und dann abreisen. Sie hatte schon Schlimmeres überlebt als ein paar Tage in Nita Garrisons Gesellschaft. Jedenfalls war das der schnellste Weg, der sie aus dieser Gegend führen würde. Im oberen Stock waren alle Türen bis auf eine geschlossen, dadurch wirkte der Flur nicht ganz so chaotisch wie die Räume im Erdgeschoss. Allerdings musste der rosa Plüschteppich dringend gesaugt werden, und im Kristallglas der Deckenleuchten hatten sich tote Insekten angesammelt.
Nitas Schlafzimmer - mit einer goldrosa Tapete, weißen Möbeln und rosa Vorhängen - erinnerte Blue an ein Bestattungsinstitut in Las Vegas. Sie nahm den rosa Pullover von einem vergoldeten Stuhl und trug ihn nach unten, durch das weißgoldene Wohnzimmer mit den glanzlosen Kristalllüstern, einem rosa Teppichboden und einer mit Velours bezogenen Chaiselongue.
Mühselig hinkte Nita zur Küchentür, die geschwollenen Fußknöchel in Schnürschuhe gepresst, und hielt Blue einen Schlüsselbund hin. »Bevor Sie zu arbeiten anfangen, fahren Sie mich ...«
»Bitte sagen Sie nicht ›Piggly Wiggly‹.«
Offenbar hatte Nita den Film »Miss Daisy und ihr Chauffeur« nie gesehen, denn sie verstand die Anspielung nicht. »In Garrison gibt‘s kein Piggly Wiggly. Diese Ladenketten halte ich von meiner Stadt fern. Wenn Sie Ihr Geld haben wollen, müssen Sie mich zur Bank bringen.«
»Bevor ich Sie irgendwohin fahre, rufen Sie Ihre Vasallen an, und sagen Sie ihnen, sie sollen wieder in Deans Haus arbeiten.«
»Später.«
»Nein, jetzt. Ich helfe Ihnen, die Telefonnummern rauszusuchen.«
Nita überraschte Blue, indem sie nur kurz protestierte. Aber dann brauchte sie eine Stunde für die Telefonate. Zwischendurch befahl sie Blue, alle Papierkörbe zu leeren, ihre Magen-Darm-Tabletten zu suchen und mehrere alte Schachteln in den gruseligen Keller zu tragen.
Schließlich saß Blue am Steuer eines sportlichen, drei Jahre alten roten Corvette Roadsters.
»Sie haben sicher eine Limousine erwartet«, schnaufte Nita auf dem Beifahrersitz. »Oder einen Crown Victoria jedenfalls ein Auto, das zu einer alten Lady passt.«
»Eher einen Besenstiel«, murmelte Blue und inspizierte das verstaubte Armaturenbrett. »Wie lange hat dieses Vehikel unbenutzt in der Garage gestanden?«
»Wegen meiner Hüfte kann ich nicht mehr fahren. Aber ich starte einmal pro Woche den Motor, damit die Batterie nicht den Geist
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