Dieser Mann macht mich verrückt
fast maskulinen Gesicht, das einen starken Charakter bekundete.
Als sie die Verandastufen erreichte, entdeckte Blue zarte Linien um die vollen, sinnlichen Lippen. So jung, wie sie zunächst vermutet hatte, war die Frau nicht mehr, vielleicht Anfang vierzig. Auf schmalen Hüftknochen saßen enge Jeans. Die strategisch platzierten Risse an den Schienbeinen und Knien rührten nicht von langer Abnutzung her, sondern von der kalkulierten Kreativität eines Designers. Metallische Fäden durchzogen das Veloursleder der Schulterklappen eines melonenfarbenen gehäkelten Hemds. An den Haarspangen prangten kupferrote Lederblüten. Welch ein schicker, extravaganter Bohemien-Look. Ein Model? Eine Schauspielerin? Wahrscheinlich eine von Deans Freundinnen. Wenn man so exquisit aussah, kam es auf ein paar Jahre mehr oder weniger nicht an. Obwohl Blue keinen Wert auf die Mode legte, wurde ihr plötzlich bewusst, dass sie ausgebeulte Jeans und ein formloses T-Shirt trug und dass ihr ungekämmtes Haar dringend einen anständigen Schnitt brauchte.
Die Frau warf einen Blick auf den Aston, ein sanftes Lächeln umspielte ihren scharlachroten Mund. »Haben Sie sich verirrt?«
»Nun ja ...« Blue versuchte Zeit zu gewinnen. »Geographisch betrachtet, weiß ich, wo ich bin. Aber ehrlich gesagt - mein Leben ist ein einziges Durcheinander.«
Die Frau lachte guttural und erschien Blue seltsam vertraut. »So etwas kenne ich.« Sie stieg die Treppe herab. Und da wuchs das Gefühl der Vertrautheit. »Ich bin Susan O‘Hara.«
Was, dieses exotische sexy Geschöpf sollte Deans Haushälterin sein? Unmöglich ... »Und ich bin Blue.«
»Oh! Hoffentlich nur vorübergehend.«
In diesem Augenblick wusste Blue Bescheid. Verdammt! Das markante Kinn, die blaugrauen Augen, das heilwache Gehirn. Verdammt, verdammt, verdammt! »Blue Bailey«, würgte sie hervor. »Es war ein - eh - besonders schlimmer Tag. In Angola.«
Die Frau starrte sie interessiert an. Mit einer vagen Geste fuhr Blues Hand durch die Luft.
»Und Südafrika.«
Stiefelabsätze knirschten im Kies. Als Susan den Kopf zur Seite wandte, erhellte das schwindende Tageslicht goldene und braune Strähnen in ihrem blonden Haar. Sie öffnete die roten Lippen, die zarten Fältchen in den Augenwinkeln vertieften sich. Abrupt verstummten die Stiefelschritte.
Die Beine leicht gespreizt, die Arme verkrampft in die Hüften gestellt, erstarrte Deans Silhouette vor dem Stallgebäude. Susan hätte seine Schwester sein können. Doch das war sie nicht. Auch nicht seine Freundin. Diese Frau mit den meerblauen, von Verzweiflung erfüllten Augen musste die Mutter sein, die er erst an diesem Morgen so brüsk abgetan hatte, statt Blues Frage nach seiner Familie etwas ausführlicher zu beantworten.
Nur für einen kurzen Augenblick hielt er inne. Dann eilte er zur Veranda, ignorierte den Steinplattenweg mit den unebenen Kanten, die abgebrochenen Zähnen glichen, und stürmte durch das wuchernde Gras des Rasens. »Ah, die gottverdammte Mrs O‘Hara!«
Erschrocken zuckte Blue zusammen. So würde sie niemals mit ihrer Mutter reden, ganz egal, wie wütend sie sein mochte. Andererseits war ihre Mom immun gegen Verbalinjurien. Diese Frau nicht.
An ihren Handgelenken zitterten klirrende Armreifen, drei zierliche Silberringe fingen das verblassende Sonnenlicht ein, als sie an ihre Kehle griff. Endlos lange Sekunden verstrichen, bevor sie sich wortlos abwandte und ins Haus ging.
Der betörende Charme, den Dean normalerweise so routiniert versprühte, war verflogen. Geistesabwesend stand er da, wie versteinert. Blue verstand sein Bedürfnis, in ein Schneckenhaus zu kriechen. Aber das war der falsche Zeitpunkt für einen Rückzug. »Wäre ich lesbisch«, sagte sie, um die Spannung zu lockern, »würde ich total auf sie abfahren.«
Da verdrängte heißer Zorn die Leere aus seinem Blick. »Besten Dank für das zauberhafte Kompliment!«
»Oh, ich bin nur ehrlich. Auch meine Mutter war früher eine Sensation.«
»Wieso weißt du, dass sie meine Mutter ist? Hat sie‘s dir erzählt?«
»Nein, aber die Ähnlichkeit ist unübersehbar. Obwohl sie erst zwölf gewesen sein muss, als du zur Welt kamst...«
»Klar, ich bin ihr wie aus dem Gesicht geschnitten«, stieß er hervor und stieg die Stufen hinauf.
»Dean ...«
Doch er war bereits im Haus verschwunden.
Wenn Blue die Intoleranz ihrer Mutter gegenüber Gewalttätigkeit auch nicht teilte, was sie mit ihrem wilden Angriff auf Monty bewiesen hatte - der Gedanke,
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