Dieser Mann macht mich verrückt
dieses exotische Geschöpf mit den verletzten Augen könnte Deans Wut zum Opfer fallen, erschien ihr unerträglich. Und so folgte sie ihm.
Überall zeigten sich deutliche Anzeichen einer Renovierung. Eine Treppe mit einem unvollendeten Geländer führte an der rechten Seite empor, neben einem mit Plastik verhüllten Eingang, der offenbar den Wohnbereich verbarg. Zur Linken, hinter zwei Sägeböcken, lag das Speisezimmer. Der Geruch von frischer Farbe und neuem Holz erfüllte die Luft. Auf die Suche nach seiner Mutter konzentriert, nahm Dean die Veränderungen nicht wahr.
»Glaub mir«, begann Blue, »ich verstehe problematische Beziehungen zwischen Müttern und Kindern. Aber du bist nicht in der richtigen Stimmung, um so was zu klären. Vielleicht sollten wir erst mal reden.«
»Lieber nicht.« Er schob den Plastik Vorhang beiseite und spähte ins Wohnzimmer. Dann hörte er Schritte im oberen Stockwerk und steuerte die Stufen an.
Sie hatte genug eigene Sorgen. Trotzdem blieb sie ihm auf den Fersen, statt ihn einfach gehen zu lassen. »Ich finde nur, du müsstest dich beruhigen, bevor du deine Mom zur Rede stellst.«
»Hau ab!« Inzwischen hatte er den Treppenabsatz nur wenige Schritte vor Blue erreicht.
Hier oben roch es noch stärker nach Farbe. Sie spähte an seinem breiten Rücken vorbei, in einen verwinkelten Flur, wo alle Türen fehlten. Die Wände waren bereits gestrichen, neue elektrische Anschlüsse warteten auf Steckdosen, und der alte Bretterboden glänzte blank poliert. Über seine Schulter schaute sie in ein Badezimmer, offenbar eben erst renoviert, mit wabenförmigen weißen Kacheln, einer frisch gestrichenen, halbhohen viktorianischen Täfelung, einem antiken Medizinschrank und Armaturen aus Chrom.
Deans Mutter bog um eine Ecke des Flurs, eine metallisch schimmernde Einkaufstasche voller Papiere in der Hand. Herausfordernd hielt sie seinem Blick stand. »Es tut mir nicht leid. Immerhin habe ich härter gearbeitet als eine richtige Haushälterin.«
»Mach, dass du fortkommst«, befahl er mit einer frostigen, stahlharten Stimme, die Blue den Atem raubte.
»Sobald ich alles organisiert habe.«
»Jetzt.« Dean betrat den Flur. »Einfach unglaublich, was du dir erlaubst! Sogar nach deinen Maßstäben!«
»Hör mal, ich habe gute Arbeit geleistet.«
»Pack deine Sachen.«
»Nein, ich kann noch nicht abreisen. Morgen kommen die Männer mit den neuen Platten für die Küchentheken. Außerdem sind die Elektriker und die Maler hier. Ich muss ihnen auf die Finger schauen. Sonst vermasseln sie alles.«
»Das riskiere ich«, fauchte er.
»Sei nicht albern, Dean. Ich wohne im Pächter-Cottage. Also wirst du meine Anwesenheit gar nicht bemerken.«
»Selbst wenn du‘s versuchst, du kannst dich nicht unsichtbar machen. Pack dein Zeug und verschwinde!« Erbost schob er Blue beiseite und rannte die Stufen hinab.
Die Frau starrte seinem Rücken nach. Dann warf sie den Kopf in den Nacken und straffte die Schultern. Doch die Last ihres Kummers war zu schwer. Die Einkaufstasche glitt ihr aus der Hand, und sie bückte sich, um sie aufzuheben, was ihr nicht gelang. Stattdessen setzte sie sich auf den Boden und lehnte sich an die Wand. Obwohl sie auf einen dramatischen Tränenausbruch verzichtete, sah sie so unglücklich aus, dass ihr Blues Herz entgegenflog. Seufzend schlang sie ihre Arme um die angezogenen Knie, die Silberringe betonten die schmalen Finger. »Ich wollte ein Heim für ihn einrichten. Nur ein einziges Mal.«
An so etwas hätte Blues Mutter nie gedacht. Virginia Bailey verstand sehr viel von Atomwaffensperrverträgen und internationalen Handelsabkommen. Aber sie hatte keine Ahnung, wie man ein Haus wohnlich gestaltete. »Glauben Sie nicht, er ist ein bisschen zu alt dafür?«, fragte sie leise.
»Ja. Zu alt.« Die stumpf geschnittenen blonden Haarspitzen fielen auf das Häkelhemd. »So schrecklich bin ich gar nicht. Jetzt nicht mehr.«
»Unsinn, ich finde Sie nicht schrecklich.«
»Wahrscheinlich glauben Sie, ich hätte es nicht tun sollen. Aber wie Sie sehen, habe ich nichts zu verlieren.«
»Dass Sie unter falschem Namen hierhergekommen sind, war vielleicht nicht der beste Schritt zu einer Versöhnung. Falls das ihr Ziel war.«
Die Frau zog ihre Knie noch enger an die Brust. »Dafür ist es zu spät. Ich wollte einfach nur das Haus für ihn herrichten und verschwinden, bevor er herausfindet, wer Mrs O‘Hara ist.« Verlegen lachte sie und hob den Kopf. »Ich bin April Robillard ... Oh,
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