Dieser Mann macht mich verrückt
seines Trikots. Geflügelte Herzen und Fähnchen, mit »Boo« beschriftet, umrahmten das Kunstwerk. Zu seiner Erleichterung ergriff Blue das Wort, denn er hätte nicht gewusst, was er sagen sollte.
»Sehr hübsch. Du hast gute Arbeit geleistet, Riley.«
»So was kann Trinity besser, die malt viel ordentlichen«
»Nicht immer weist eine saubere, ordentliche Malerei auf künstlerische Talente hin.«
»Meine Mom sagt, Ordnung ist wichtig. Oder - das hat sie gesagt.«
»Tut mir so leid wegen deiner Mom. Für dich sind das schwere Zeiten, nicht wahr?«
Mit einem abgebissenen Fingernagel strich Riley über ein buntes Herz auf dem Einband des Albums. »Trinity ist meine Kusine, die ist auch elf. Und sehr schön. Tante Gayle ist ihre Mom.«
»Sicher sorgt sich Trinity, wenn sie erfährt, dass du verschwunden bist«, warf Dean ein.
»O nein, die wird sich freuen. Sie hasst mich. Dauernd behauptet sie, ich wäre durchgeknallt.«
»Bist du das?«, fragte Blue.
Dean verstand nicht, warum sie darauf herumritt. Aber sie ignorierte seinen strafenden Blick.
»Vielleicht«, antwortete Riley, und Blue strahlte über das ganze Gesicht.
»Oh, ich auch. Ist das nicht wundervoll? Nur durchgeknallte Leute sind wirklich interessant. Meinst du nicht auch? Alle anderen sind so langweilig. Zum Beispiel Trinity. Wenn sie auch gut aussieht, sie ist sicher furchtbar langweilig. Stimmt‘s?«
Riley blinzelte. »O ja. Sie will immer nur über Jungs reden.«
»Igitt!« Blue schnitt eine maßlos übertriebene Grimasse.
»Oder über Kleider.«
»Noch mal igitt.«
»Und das aus Blue Baileys Mund«, murmelte Dean.
Aber jetzt war Riley total auf Blue fixiert. »Oder sie erklärt mir, man müsste kotzen, damit man nicht so fett wird.«
»Machst du Witze?« Blue rümpfte ihre kleine spitze Nase. »Wieso weiß sie das?«
»Für Tante Gayle ist diese Kotzerei sehr wichtig.«
»Ah, ich verstehe.« Blue warf Dean einen kurzen Blick zu. »Also nehme ich an, auch Tante Gayle ist ganz schrecklich langweilig.«
»Klar. Wenn sie mich sieht, ruft sie immer ›Bussi, Bussi‹, und dann zwingt sie mich, sie zu küssen. Aber sie tut nur so. In Wirklichkeit findet sie mich auch durchgeknallt und viel zu dick.« Riley zupfte am Saum ihres T-Shirts und versuchte es über die kleine Speckrolle zu ziehen, die aus der Kordhose quoll.
»Mit solchen Leuten habe ich einfach nur Mitleid«, betonte Blue ernsthaft. »Damit meine ich diese Leute, die andere ständig kritisieren. Meine Mutter - eine sehr, sehr einflussreiche Frau - hat mir erklärt, auf dieser Welt könnte man nichts leisten, wenn man immer nur an den Menschen herumnörgelt, nur weil sie nicht so aussehen oder sich nicht so benehmen, wie‘s einem gefällt.«
»Ist Ihre Mom noch am Leben?«
»O ja. Gerade beschützt sie in Südamerika ein paar arme Mädchen vor bösen Männern.« Blues Gesicht nahm grimmige Züge an. Wahrscheinlich sorgt sie sich um mich.
»Das klingt gar nicht langweilig.«
»Ja, sie ist eine großartige Frau.«
Klar, dachte Dean, eine großartige Frau, die ihr einziges Kind bei fremden Leuten aufwachsen ließ. Aber wenigstens hatte Virginia Bailey ihre Nächte nicht damit verbracht, zu koksen und Rockstars zu bumsen.
Blue stand auf, ging um ihn herum und nahm ihr Handy vom Tisch. »Würdest du was für mich tun, Riley? Ich verstehe, dass du Dean deine Telefonnummer nicht geben willst. Bis zu einem gewissen Punkt ist es okay, wenn man persönliche Dinge für sich behält. Aber du solltest Ava selber anrufen und ihr sagen, mit dir sei alles in Ordnung.« Sie hielt ihr das Telefon hin, Riley starrte es an, aber sie griff nicht danach. »Mach das doch, bitte!«
Blue mochte wie ein Flüchtling aus dem Märchenreich aussehen. Aber wenn sie wollte, konnte sie die Wirkung eines Armee-Ausbilders ausüben. Dean war nicht überrascht, als Riley das Handy entgegennahm und eine Nummer wählte.
Lächelnd setzte sich Blue zu ihr. Mehrere Sekunden verstrichen. »Hi, Ava, hier ist Riley. Ich bin okay. Jetzt bin ich erwachsen. Also musst du dir keine Sorgen um mich machen. Sag hallo zu Peter.« Dann drückte sie die Aus-Taste und gab Blue das Handy zurück. Ihre Augen, bodenlose Teiche voller Sehnsucht, kehrten zu Dean zurück. »Möchtest du - mein Album sehen?«
Durfte er dieses verletzliche Kind betrügen, indem er falsche Hoffnungen weckte? »Vielleicht später«, erwiderte brüsk. »Jetzt habe ich zu tun.« Zu Blue gewandt, bat er: »Nimm mich in die Arme, bevor ich gehe, meine
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