Dieser Mann macht mich verrückt
Doch er fand sein Gleichgewicht sofort wieder und stürzte sich erneut auf Dean.
Diesmal hatte er Glück und traf die lädierte Schulter, was Dean gar nicht gefiel. Hastig sprang Blue aus dem Weg, denn ihr falscher Verlobter hörte zu spielen auf und machte Ernst.
Von einem blamablen Triumphgefühl erfasst, beobachtete sie seinen effektiven Gegenangriff. Nur wenige Dinge im Leben waren so schwarz und weiß wie diese Szene. Als sie die Gerechtigkeit siegen sah, ging ihr ein sonderbarer Wunsch durch den Sinn. Wenn Dean - so ungeheuer stark, mit schnellen Reflexen und einer seltsamen Ritterlichkeit - die Welt vor allem Bösen retten könnte, müsste sich Virginia Bailey nicht mehr darum bemühen.
Sein Opfer wollte sich auf den Rücken wälzen, aber es kam nicht weit. Inzwischen war Karen Ann in eine Kabine gekrochen, um sich zu übergeben. Der Friseur und der Barkeeper zogen den Graukopf auf die Beine, und einer der beiden gab ihm ein Papiertuch, mit dem er seine blutige Nase abwischte. Dann führten sie ihn zur Tür hinaus. Blue trat an Deans Seite.
Von einem aufgeschürften Ellbogen und einem Schmutzfleck auf den Designer-Jeans abgesehen, hatte er anscheinend keinen Schaden erlitten. »Das war wirklich amüsant«, meinte er und musterte sie von oben bis unten. »Bist du okay?«
Ihr Kampf war vorbei gewesen, ehe er richtig begonnen hatte. Aber sie wusste seine Fürsorge zu schätzen. »Ja.«
Schließlich verstummten die würgenden Geräusche in der Kabine, und der Geschäftsführer ging hinein. Nach einer Weile kam er von einer leichenblassen, wankenden Karen Ann begleitet wieder heraus. »Wenn ihr zwei vor fremden Leuten den Eindruck erweckt, das wäre eine miese Säuferkneipe, gefällt uns das ganz und gar nicht«, beschwerte er sich und bahnte ihr einen Weg durch die Zuschauermenge. »Willst du dein Leben lang mit jeder kleinen Frau Streit suchen, nur weil sie dich an deine Schwester erinnert?«
Blue und Dean wechselten einen Blick.
Nachdem das betrunkene Paar das Lokal verlassen hatte, bestanden Gary, der Friseur, der Geschäftsführer sowie eine Frau namens Syl, die einen Secondhand-Laden betrieb, energisch darauf, Blue und Dean zu einem Drink einzuladen. Bald erfuhren die beiden, der grauhaarige Ronnie sei zwar strohdumm, aber kein übler Kerl. Und Karen Ann sei einfach unmöglich, was ihre schlecht gefärbten Locken mit den gespaltenen Haarspitzen eindeutig beweisen würden. Übrigens sei sie schon bösartig gewesen, bevor ihre hübsche, zierliche kleine Schwester ihr den Ehemann abspenstig gemacht habe. Mit dem war sie abgehauen und - noch schlimmer - auch mit Karen Anns rotem Pickup.
»Dieses Auto hat sie geliebt«, bemerkte Richter Pete Haskins.
Wie sich herausstellte, war Lyla etwa so groß wie Blue und hatte ebenfalls dunkles Haar, aber eine schickere Frisur, worauf Gary taktvoll hinwies.
»Wem sagen Sie das?«, murmelte Dean.
»Vor ein paar Wochen legte sich Karen Ann mit Margo Gilbert an«, erzählte Syl. »Die sieht Lyla längst nicht so ähnlich wie Blue.«
Kurz bevor Blue und Dean aufbrachen, versprach der Barkeeper, der Chris Rock glich und in Wirklichkeit Jason hieß, er würde Ronnie oder Karen Ann nie wieder was zu trinken geben. Nicht einmal am Mittwoch beim italienischen All You Can Eat-Buffet, Ronnies Lieblings-Event.
Der Geruch von Scotch kitzelte Aprils Nase, als sie an der Bar Platz nahm. Jetzt brauchte sie einen Drink und eine Zigarette. Genau in dieser Reihenfolge.
Nur heute.
»Ein Club Soda mit Schuss«, wandte sie sich an den hübschen jungen Barkeeper und sog den Rauch fremder Zigaretten in ihre Lungen. »Und tun Sie mir den Gefallen, servieren Sie‘s in einem Martini-Glas.«
Lächelnd ließ er seine Kinderaugen über ihr Gesicht wandern. »Was immer Sie sich wünschen, kriegen Sie, Ma‘am.«
Inzwischen nicht mehr, dachte sie und schaute auf ihre flachen lachsrosa Marc Jacobs-Schuhe hinab. An einem Fußballen entwickelte sich eine Entzündung. Mein Leben in Schuhen. Überdimensionale Plateausohlen, Stiefel in allen Größen und Formen, Stilettos, Stilettos und nochmals Stilettos. Und jetzt? Flache Sohlen.
An diesem Abend hatte sie der Farm entfliehen müssen, weg von Deans Verachtung, vor allem aber weg von Jack. Um die ersehnte Einsamkeit in diesem exklusiven Steakhouse zu finden, war sie ins benachbarte County gefahren. Obwohl sie nicht geplant hatte, vor der Mahlzeit die halb leere Bar zu besuchen, war sie von einer alten Gewohnheit hierhergetrieben worden.
Den
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