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Dieser Mensch war ich - -: Nachrufe auf das eigene Leben (German Edition)

Dieser Mensch war ich - -: Nachrufe auf das eigene Leben (German Edition)

Titel: Dieser Mensch war ich - -: Nachrufe auf das eigene Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane zu Salm
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kam ein privater dazu, meine Freundin hatte mich nach zehnjähriger intensivster Liebe verlassen. Übrig blieb nur noch der Stolz auf meinen Sohn. Aber es gelang mir, die Ärmel noch mal hochzukrempeln, die Scherben aufzukehren und meine Insolvenz hinter mich zu bringen.
    Allerdings konnte ich danach nicht mehr in meiner Branche Fuß fassen, und so lebte ich in den letzten Jahren von Hartz IV . Ich lebe in Armut, ich bin reich, das ist das, was ich dadurch gemerkt habe. Wie wertvoll Armut tatsächlich ist. Sie hat etwas mit dem Loslassen materieller Werte zu tun, das einen schließlich frei macht. Kris Kristofferson, ein amerikanischer Sänger, hat es ähnlich ausgedrückt: » Freedom is just another word for nothing left to loose.« Freiheit ist nur ein anderes Wort dafür, dass man nichts mehr hat, um loszulassen. Das ist mein Wahlspruch der letzten Zeit, ich habe ihn mir über das Bett gehängt.
    In meinen Augen hat mein Darmkrebs eindeutig mit meinem Festhalten zu tun, weil der Darm ein Ausscheidungsorgan ist. Oft hatte ich in Erinnerungen gelebt, manche Sachen konnte ich einfach nicht vergessen. Schlechte Taten, die ich versucht hatte, in gute Taten umzuwandeln. Doch mittlerweile ist es mir gelungen, vorwiegend im Hier und Jetzt zu leben und somit gelassen und glücklich zu sein. Ich kann sogar von Höhepunkten im Hospiz reden. Die Küche wird hier sehr gepflegt. Neulich durfte ich mir von dem Ein-Sterne-Koch meine Lieblingsspeise wünschen. Um Viertel vor zwölf ist er losgezogen, um extra die Zutaten für mein Filetsteak in Rotweinsoße zu kaufen. Ich müsste wegen des Aufwandes kein schlechtes Gewissen haben, meinte er, als ich ihn darauf ansprach. Es sei doch eine meiner letzten Mahlzeiten, wenn nicht jetzt, wann denn dann. Er hatte Recht– wieder ein Beispiel dafür, wie man im Hier und Jetzt lebt.
    Kurt Löbel, 60 Jahre, Darmkrebs

Mit dir möchte ich nur noch Erinnerungen wachrufen
    Warum kann man als Ehepaar nicht einfach getrennt leben, wenn man alt geworden ist? Friedhelm und ich sind seit vierundfünfzig Jahren verheiratet, haben drei Kinder großgezogen, das heißt, ich habe sie großgezogen und Friedhelm hat uns versorgt. Wir sind gemeinsam durch dick und dünn gegangen. Sind viel verreist, haben was von der Welt gesehen, haben Freunde. Beide hatten wir einen erfüllenden Beruf als Lehrer. Das Geld hat immer gereicht. Wir hatten ein gutes Leben, ich mag mich nicht beklagen.
    Beklagen tue ich mich nur, weil das jetzt alles kaputtzugehen droht. Wir haben uns zwar immer geschworen, gemeinsam alt zu werden, aber ich muss feststellen, dass das in der Realität eine sehr unschöne Sache ist. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass die jetzige Zeit unsere gesamten guten Ehejahre von hinten aufrollt und auslöscht.
    Denn es geht nur noch darum, dass ich meinen Mann pflege. Er ist am ganzen Körper krank, ich kann gar nicht aufzählen, was er alles hat. Dass ich inzwischen mindestens so krank bin wie er, das merkt er gar nicht. Hauptsache, ich kümmere mich um ihn. Ute, ich habe Durst. Ute, wo ist die Fernbedienung für den Fernseher? Ute, ich muss zur Toilette. Dann koch ich was, und er sagt, es schmeckt ihm nicht. Dann schmeiße ich das Essen weg, und er ruft: Ute, was hast du zu essen? Ich habe Hunger. So geht das den ganzen Tag. Und nachts, wenn er nicht schlafen kann, natürlich auch. Wo ist da noch Platz, sich am gemeinsamen Altwerden zu freuen? Man mag es ja nicht aussprechen, aber es ist doch wahr: Wenn einer von uns plötzlich gestorben wäre, wären die Erinnerungen für den anderen schöner. Reiner. Unberührt von dieser ätzenden Last der Altenpflege, die alles kaputt macht. Darüber entfremdet man sich doch auch. Das habe ich dem Friedhelm immer wieder gesagt: Lass uns unsere Liebe schonen, lass uns eine Pflegerin oder einen Pfleger ins Haus holen. Und wir beide treffen uns täglich zweimal zu Kaffee und Kuchen. Und erinnern uns dabei an die wunderschönen Zeiten, die wir hatten. Zum Beispiel, als wir zum ersten Mal in Spanien waren, in Sevilla, und uns dort auf der Suche nach der Kathedrale so fürchterlich verlaufen haben. Hätten wir uns nicht verlaufen, hätten wir auch nie Juan kennengelernt, der dann der Patenonkel aller unserer Kinder wurde.
    Ja, so stelle ich mir vor, eine Ehe würdevoll zu Ende zu bringen. Aber das willst du ja nicht, du willst ja keine fremden Pfleger im Haus. Du willst, dass ich dich pflege, bis dass der Tod uns scheidet. Und ich schaffe es auch nicht, mich darüber

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