Dieser Mensch war ich - -: Nachrufe auf das eigene Leben (German Edition)
beleidigt gewesen. Also, das war etwas, das nicht nach meinem Geschmack war, aber ich habe meinem Mann deswegen keine Vorwürfe gemacht, wir sind trotzdem gut zurechtgekommen.
Meine Tochter führt auch eine gute Ehe. Wenn es im Elternhaus glatt und liebevoll läuft, versucht man das auch selbst in die Ehe zu bringen, glaube ich. Wir sind eigentlich, um das ein bisschen übertrieben zu sagen, eine Musterfamilie.
Abends, wenn ich schlafen gehe, sage ich oft: Lieber Gott, vergiss nicht, die Flügel deiner Schutzengel über mich, meine Kinder, Enkel und Urenkel auszubreiten, und mach die ganze Welt friedlicher. Kein richtiges Gebet eigentlich, aber ein bisschen gläubig bin ich doch. Ich glaube jedenfalls, dass es irgendwas da oben gibt. Aber nach dem Tod kommt meiner Meinung nach nichts mehr, dann ist alles zu Ende. Es ist vielleicht tröstlich, wenn man anders denkt, aber ich denke, dass es dann aus ist.
Angst vor dem Tod habe ich nicht. Der Tod ist das Natürlichste von der Welt, er gehört zum Leben. Es können ja nicht alle Menschen unsterblich sein, das wäre ein Gewimmel auf der Welt. Aber ich finde es auch nicht so furchtbar schlimm, dass man sterben muss. Ganz schlimm finde ich, wenn Kinder vor ihren Eltern sterben müssen, das muss ganz, ganz furchtbar sein.
Eva Strasser, 85 Jahre
Et kütt wie et kütt
Ich war schon immer Single. Das habe ich mir nicht zwingend so gewünscht oder so vorgestellt für mein Leben. Aber es hat sich so ergeben. So, wie sich halt vieles, man könnte fast sagen alles im Leben ergibt. Et kütt wie et kütt, sagt der Rheinländer dazu. Dabei hatte ich schon immer eine gewisse Sehnsucht nach Nähe zu jemandem. So ist es ja nicht. Aber immer dann, wenn es mit einem Flirt richtig weitergehen sollte, kam eine Annäherung nicht wirklich zustande. Ich habe dann kurz vor dem Abendessen, zu dem sie mich einlud, abgesagt oder habe einfach Verabredungen nicht mehr zustande kommen lassen. Kurzfristig war das eine Erleichterung, im Rückblick allerdings schon traurig. Ich hätte so gerne die Liebe richtig erfahren. Liebe ist für mich Nähe, innere und äußere. Die innere Nähe kehrt sich durch guten Sex nach außen. Ja, das habe ich mir immer gewünscht. Und sicher gab es auch Gelegenheiten dazu. Das kann ich allerdings erst jetzt so sehen, wo es vorbei zu sein scheint mit mir. Bis ich krank wurde, habe ich mir nämlich immer eingeredet, dass ich noch nicht die richtige Frau getroffen habe. Dass es nicht hat sollen sein mit ihr, weil wir nicht zueinander passen und so weiter. Ich habe mich dann einfach nicht mehr gemeldet. Oder mich schön unverfänglich verhalten, also E-Mails geschrieben, dass ich sie so gerne bald wiedersehen würde und sie so sehr mag. Dazu ist es dann aber nicht gekommen oder nur in großen zeitlichen Abständen. So groß, dass gar keine Nähe entstehen konnte.
Jetzt, da ich nicht mehr lange leben werde, bedaure ich das. Ich hätte mir meine Ängste bewusst machen sollen. Denn nur so kann man es ja überwinden, das, was man Bindungsangst nennt. Wahrscheinlich habe ich auch die eine oder andere Frau verletzt, indem ich sie nie so richtig an mich habe herankommen lassen. Feige muss ich rübergekommen sein. Dann möchte ich mich bei euch allen hiermit entschuldigen. Wahrscheinlich bringt euch das jetzt auch nichts, aber irgendwie möchte ich es noch loswerden, bevor es zu spät ist.
Beruflich kam mir diese selbst gewählte Einsamkeit zugute. Ich war Archivar an einer Universität. Da hat man eh keine Zeit für viele soziale Kontakte, es gibt auch nicht so viele Besprechungen, in denen um den kleinsten gemeinsamen Nenner gerungen werden muss. Als Archivar konnte ich immer schön vor mich hinarbeiten, ich wusste, was wie getan werden musste. Anregungen habe ich mir immer aus den Büchern geholt. Und auf Heimtiermessen bin ich gerne gegangen, das war meine heimliche Leidenschaft. Dafür bin ich sogar in verschiedene Städte gefahren, Hannover, Hamburg, Köln. Vor allem die Hallen mit den Katzen mochte ich. Da habe ich mir stundenlang einen Käfig neben dem anderen angesehen. Und habe mir immer vorgestellt, wie es wäre, wenn ich eine ganze Katzenfamilie zu Hause hätte. Wie sie mich begrüßen würde, wenn ich von der Arbeit nach Hause komme. Tja, ich hätte mir ja eine Katze kaufen können. Oder gleich mehrere. Aber das habe ich mich genauso wenig getraut, wie die Nähe einer Frau zuzulassen. Schade. Selbst jetzt, wo ich doch nichts mehr zu verlieren habe, würde ich es
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