Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dieser Mensch war ich - -: Nachrufe auf das eigene Leben (German Edition)

Dieser Mensch war ich - -: Nachrufe auf das eigene Leben (German Edition)

Titel: Dieser Mensch war ich - -: Nachrufe auf das eigene Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane zu Salm
Vom Netzwerk:
als ich zehn Jahre später das Unternehmen verließ, waren wir die Nummer eins in der Schweiz.
    Von dir erfährt man zu wenig, was Liebe ist, hat meine Frau mir mal gesagt. Ja gut, aber ich wusste nicht, wie. Ich habe ihr dann jeden Samstag einen Blumenstrauß mitgebracht. Das registrierte sie zwar, aber genützt hat es auch nichts. Auch bei den Kindern habe ich probiert, einen Draht herzustellen. Ich nahm sie mit auf meine Geschäftsreisen oder ging mit ihnen auf Ausstellungen. Doch es war zu spät, den richtigen Zeitpunkt hatte ich verpasst. Als ich endlich das Geld zusammenhatte für die lang geplante Rückkehr in die Schweiz, sagte meine Frau: » Ich komme nicht mehr mit.« Nach siebenundzwanzig Jahren Ehe ließen wir uns scheiden.
    Mit dem Verhältnis zu meinem Sohn bin ich zufrieden, zu meiner Tochter wünsche ich mir mehr Kontakt. Zeitweise hatten wir keinen, darunter habe ich sehr gelitten. Aber vor vier Monaten schrieb sie mir einen kurzen Brief. Sie sei dankbar für das, was ich ihr durch meinen Beruf vorgelebt hätte: dass von nichts nichts kommen würde. Immerhin, darin wollte ich immer ein Vorbild sein.
    Ich hatte ein erfülltes Leben, sehr. Also, wenn ich die Augen zumache, sage ich, lieber Gott, ich habe viel einstecken müssen, aber ich habe auch viel gewinnen dürfen. In dieser inneren Haltung lebe ich heute. Ich lege mich ins Bett, schlafe herrlich, esse gerne, sitze in meinem Sessel. Das ist nur ungerecht der Marie, meiner Lebenspartnerin, gegenüber, sie macht alles alleine.
    Glauben tue ich nicht mehr. Zu lange sah ich, dass das, was Menschen machen, Schein ist. Bis hin zum Papst. Dabei war mir das, was die sagen, früher heilig. Auch an ein Leben nach dem Tod glaube ich nicht. Jeder schaut für sich, und jeder stirbt für sich allein. In dem Moment, wo es klick macht, hört einfach alles auf. Das Leben kommt ja auch von nichts.
    Bert Morgenstern, 83 Jahre

So ein Erlebnis verbindet ja, d as kann man nicht beschre iben
    Wenn ich an schwierige Situationen in meinem Leben denke, fällt mir auf, dass ich dann oft meinen Bruder an meiner Seite hatte. Eigentlich war er immer für mich da. Das war schon so, als die Kinder noch ganz klein waren. Mein Mann war Taxifahrer und viel unterwegs. Am Tag und oft in der Nacht, auch am Wochenende. A ber selbst wenn er zu Hause war, hat er sich nicht groß um die Kinder gekümmert. Dass er mal mit ihnen in den Buddelkasten ging oder in der Wohnung sauber machte, kam alles nicht infrage. Das lag alles auf meinen Schultern, obwohl ich ja auch arbeiten musste. Und dann kam oft mein Bruder und hat mit den Kindern gespielt und den Haushalt gemacht. Das tat er gerne und von sich aus, da musste ich gar nichts sagen. Eigentlich hieß er Ulrich. Aber wir haben ihn nur Uli genannt.
    Vertrauliches haben wir auch miteinander besprochen. Wie es im Leben so läuft, war mir eine andere Frau in die Quere gekommen, sage ich mal. Aber was soll’s. Zwei Jahre habe ich gekämpft um meinen Mann, und dann konnte ich nicht mehr. Wir ließen uns scheiden, und ich hatte einen Nervenzusammenbruch. Aber ich hatte auch Uli, der mich wieder aufbaute.
    Vor zehn Jahren habe ich mir das Sprunggelenk gebrochen, das macht mir heute noch manchmal Schmerzen. Meine Beine waren gewickelt, und ich konnte mich längere Zeit nicht rühren, also auch so ein Schicksalsschlag. Erst hat mich mein Bruder immer im Krankenhaus besucht, und als ich zu Hause war, kaufte er für mich ein, brachte mir die Wäsche und malerte das Wohnzimmer. Das war ja wirklich eine große Hilfe für mich, denn zu der Zeit lebte ich alleine und meine beiden Söhne besuchten mich kaum. Sie haben gesagt, sie bräuchten nicht zu helfen, das mache ja schon alles Onkel Uli.
    Die Kinder waren vielleicht manchmal ein bisschen egoistisch. Wenn mein Bruder sich mehr um mich gekümmert hat als die Kinder, möchte ich damit nicht sagen, dass mir meine Kinder fern waren, aber Uli war mir vertrauter. Vielleicht kam das durch den Krieg. Er war fünf Jahre alt und ich acht, als wir im Januar 1945 fliehen mussten. Meine Mama und die Großeltern sind dann mit uns auf dem Schlitten zum Bahnhof gefahren. Es war minus fünfundzwanzig Grad, im Hintergrund donnerten die Kanonen. Wir nahmen den letzten Zug. So ein Erlebnis verbindet ja, das kann man nicht beschreiben.
    Weil mein Bruder so gütig und großzügig mit mir umgegangen ist, machte es mich ganz traurig, dass er schon mit sechzig an Krebs leiden musste. Jede Woche habe ich ihn besucht im

Weitere Kostenlose Bücher