Dieser Sonntag hat's in sich
trug einen breiten, goldenen Ehering.
Ich wartete im Wohnzimmer, während Gallagher
den Tatort untersuchte und mit dem Leichenbeschauer und den Labortechnikern
sprach. Als er fertig war, erzählte ich ihm, was seit meiner Ankunft in diesem
Haus passiert war. Ich erwähnte auch die verängstigte Frau sowie Marke und
Kennzeichen ihres Autos. Ben machte sich Notizen und hielt dann den befransten
Lederbeutel in die Höhe, der nun in einer Plastiktüte für Beweismaterial
steckte.
»Gehört der ihr?«
»Nein, dem Obdachlosen, der unten auf
der Treppe sitzt, glaube ich. Zumindest hatte er letzten Freitag so einen
Beutel bei sich.«
»In Anbetracht des Inhalts ergibt das
auch mehr Sinn. Achtunddreißig Cents, ein Springmesser und keine Kreditkarten
passen nicht so recht zu einer Dame, die einen BMW fährt. Erzählen Sie mir, was
Sie sonst noch von dem Obdachlosen wissen.«
»Rudy Goldring nannte ihn Bob. Der Mann
fungierte als so eine Art Türwächter für ihn. Er bekommt Bier für seine
Dienste. Er ist mittelgroß, hat graues Haar und einen Bart; als ich ihn sah,
trug er alte Tarnhosen von der Armee.«
»Typische Beschreibung eines
Obdachlosen.«
»Ja, das stimmt. So genau habe ich ihn
mir nicht angeschaut, um ehrlich zu sein; er sah so aus wie die meisten Penner,
die man hier in der Gegend so sieht.« Und das, dachte ich, von jemandem, der
sich erst vor kurzem über eine Talk Show im Radio aufgeregt hat, in der die
Obdachlosen auf reine Statistiken reduziert wurden! Ich konzentrierte mich und
versuchte mich an etwas zu erinnern, das Bob von den anderen unterscheiden
könnte. Gallagher wartete.
Nach einem Augenblick sagte ich: »Er
konnte sich ziemlich gewählt ausdrücken. Höflich. Als er mir die Tür öffnete,
benahm er sich wie ein Butler. Oh — und zum Abendessen geht er in die Kirche
St. Anthony. Ich weiß das, weil Goldring ihn erinnerte, daß es Zeit sei, sich
anzustellen, und er sich dann in die Richtung aufmachte. Vielleicht weiß man
dort oder in Goldrings Büro mehr über ihn.«
»Vielleicht.« Gallagher beendete seine
Aufzeichnungen und schaute zu mir hoch. »Jetzt sagen Sie mir mal, was Sie hier
machen.«
Da Rudy Goldring mich über seinen
Anwalt beauftragt hatte, war ich zur Vertraulichkeit verpflichtet. Aber
Goldring war tot, und Gallaghers Fragen entnahm ich, daß die Polizei seinen Tod
als Mord behandeln würde, zumindest vorläufig. Das enthob mich meiner
Verpflichtung zu vertraulicher Behandlung, und so erzählte ich Ben von meinem
Auftrag.
Als ich geendet hatte, sagte er: »Wir
werden diesen Frank Wilkonson aufsuchen und feststellen, was er über Goldring
zu sagen hat. Wahrscheinlich hat es nichts zu tun mit dem, was hier passiert
ist.«
»Sie glauben also, daß Goldring
ermordet wurde?«
»Das ist wahrscheinlich. Der
Leichenbeschauer sagt, daß es Anzeichen eines Kampfes gibt — blaue Flecken, der
Zustand seiner Kleidung und so. Es sieht ganz nach Totschlag aus — ein Streit,
der außer Kontrolle geriet. Vielleicht hat er die Bierration des Penners
gekürzt, oder irgend so etwas.«
»Was ist mit der Frau, die hier war?
Sie sagte: ›Ich habe befürchtet, daß es soweit kommen könnte.‹«
»Vielleicht hat sie von dem Penner
gesprochen. Wissen Sie, es ist nicht das Klügste, solche Leute unter seine
Obhut zu nehmen. Doch wir werden sie ausfindig machen und fragen, was sie
gemeint hat.« Gallagher schloß sein Notizbuch und stand auf. »Wir brauchen eine
formelle Aussage; Sie kennen den Ablauf ja. Sind Sie immer noch bei dem
gleichen Verein?«
»All Souls? Ja.« Ich stand auch auf und
gab ihm eine meiner Karten.
Gallagher studierte sie und schaute
mich dann wieder an. Er guckte jetzt ein bißchen verschmitzt, und ich fragte
mich, ob er wohl auch an die alten Zeiten dachte. Seine Worte bestätigten meine
Vermutung: »Sehen Sie den Lieutenant noch manchmal?«
Er meinte Greg Marcus, meinen damaligen
Freund. »Wir gehen manchmal zusammen essen, aber das ist alles.«
»Komisch, ich dachte immer, daß Sie
beide ein gutes Paar abgäben.«
»Das war auch so — damals.« Ich schaute
auf die Uhr. Halb sieben. Ich hatte Rae gesagt, daß ich sie vor einer Stunde in
der Remedy Lounge treffen wollte.
»Kann ich das Telefon benutzen?«
»Sicher, Goldring hätte bestimmt nichts
dagegen.« Ben hob grüßend die Hand und verließ das Zimmer.
Ich starrte auf den leeren Türrahmen.
Das war eine Bemerkung, die er früher nicht gemacht hätte — und die ich früher
nicht akzeptiert hätte —
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