Dieser Sonntag hat's in sich
war?«
»Nein, aber sein Beutel lag am Tatort.
Du weißt schon — das Lederding mit den Fransen, das er herumträgt.« Ich
probierte meinen Wein. Sein bitterer Geschmack war auf eigenartige Weise
tröstlich. »Kanntest du Rudy gut?«
»Nicht besonders. Aber ich mochte ihn
sehr. Ich kümmerte mich um seine geschäftlichen Angelegenheiten — Verträge mit
Lieferanten, der Nähergewerkschaft — , nicht gerade Dinge, bei denen man sich
sehr nahekommt.«
»Hat er dir was über den Auftrag
erzählt, für den er mich haben wollte?«
»So gut wie nichts. Worum ging es da
überhaupt?«
Ich erklärte es ihm und fügte hinzu:
»Du kannst dir ein besseres Bild machen, wenn du meinen Bericht liest. Sag mal —
hast du ein Testament für ihn erstellt?«
»Nein, aber es gibt eines. Ich weiß
nicht, ob sich Gilbert Thayer darum gekümmert hat oder Hank.« Hank ist unser
Fachmann für Familienrecht; die meisten Anwälte verweisen Kunden mit derartigen
Aufträgen zu ihm.
»Da wir gerade von Hank sprechen«,
sagte ich, »ist dir aufgefallen, daß er in letzter Zeit nicht gerade gut
aussieht?«
Jack zögerte. »Ja, schon.«
»Ihr beide habt ein ernstes Gespräch
geführt, als ich hereinkam. Weißt du, was los ist?«
Wieder zögerte er. »Zum Teufel, es gibt
keinen Grund, warum du es nicht wissen solltest — du bist besser mit den beiden
befreundet als ich. Hank hat Schwierigkeiten zu Hause. Darum hat er mit mir
gesprochen — weil ich das auch durchgemacht habe.«
»Schwierigkeiten zu Hause? Jetzt schon!
Sie wollen sich doch nicht scheiden lassen...«
»Nein. Um Gottes willen nicht. Sie
haben nur erkannt, daß irgendwas schiefgelaufen ist.«
»Aber was?«
»Sie sind beide ziemlich festgefahren.
Hank ist, wie alle hier in der Kanzlei, ein ungezwungenes — vermutlich zu
ungezwungenes — Leben gewöhnt.«
»Anne-Marie hat auch hier gelebt. Sie
war genauso.«
»Damals, ja. Aber nachdem sie das Haus
mit den zwei Wohnungen in Noe Valley gekauft hatte, hat sie angefangen, dort
ihre Ordnung einzuführen. Hank hat Schwierigkeiten, sich da anzupassen.«
»Sich an was anzupassen?«
»Nun, die abendlichen Mahlzeiten bei
Kerzenlicht. Die allwöchentlichen Verabredungen mit dem Paar, das die obere
Wohnung von ihnen gemietet hat. Regelmäßige Arbeit im Haushalt. Du weißt schon.
Nichts gegen Anne-Marie. Ich persönlich würde so ein Leben lieben; habe es
geliebt. Aber Hank...«
»Ich verstehe.« Ich hatte Anne-Marie
immer um ihr schönes Heim beneidet und habe bei ihr so manches elegante
Abendessen genossen, aber ich konnte mir vorstellen, warum dieser Lebensstil
sich nicht so recht mit Hanks lockerer — sagen wir es ehrlich, manchmal
schlampiger — Lebensart vertrug.
»Sie hat alles systematisiert«, fuhr
Jack fort, »sogar wer was macht. Sie macht die Wäsche, Hank putzt das Bad. Sie
bereitet alle Mahlzeiten zu, und es fehlt ihm, daß er seine Spaghetti und sein
Chili nicht mehr kochen darf. Jeder ist für verschiedene Einkäufe zuständig:
Sie zahlt die Papierwaren, die Putzmittel und das Fleisch; er soll sich um
Gemüse, Grundnahrungsmittel und alkoholische Getränke kümmern.«
»Du lieber Himmel, wie machen sie das
bloß, wenn sie einkaufen gehen?«
»Sie haben zwei Wagen.«
»Als ich mit meinem Freund einkaufen
ging, kamen wir kaum mit einem Wagen zurecht! Was will Hank unternehmen?«
»Nichts, bis jetzt. Wie ich schon
sagte, er hat gerade die Meckerphase. Ehrlich gesagt, glaube ich, daß ein Teil
des Problems darin liegt, daß ihm die Kanzlei fehlt.«
»Uns fehlt er auch allen, aber diese
Ehe ist wichtig. Beide haben in einem Alter ein Risiko auf sich genommen, das
nur wenige von uns wagen würden, und sie haben sehr viel von sich selbst in
diese Beziehung gesteckt. Sie lieben sich. Außerdem« — ich lächelte und
versuchte Jack aufzumuntern, denn sein Gesichtsausdruck sagte mir, daß er sein
eigenes Versagen erneut durchlebte — »wäre es besser für ihn, wenn er die
Kanzlei nicht zu sehr vermißte. Ich gebe ihm mein Büro nicht mehr zurück.«
Jack schien die Bemerkung nicht witzig
zu finden — und das konnte ich ihm, ehrlich gesagt, auch nicht verdenken. Er
kippte sein Weinglas, um an die letzten Tropfen zu kommen, und ging dann zur
Spüle, um sich nachzuschenken. »Vielleicht finden sie eine Lösung. Leute, die
festgefahren sind, können sich ändern.«
»In unserem Alter? Da bin ich mir nicht
so sicher.« Ich hatte mich nicht Dons wegen ändern können, genausowenig wie er
sich meinetwegen hatte
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