Dieser Sonntag hat's in sich
ändern können. Ich hoffte, daß sich Anne-Marie und Hank
nicht so wie wir trennen würden. Jack bot mir noch Wein an, aber ich lehnte ab
und holte meinen Mantel aus Raes Büro. Heute war es wohl besser, wenn ich zu
Hause schmollte, wo ich mit meiner Laune niemanden belästigen würde.
Als ich heimkam, sahen die Dinge besser
aus. Ich stellte fest, daß mein vagabundierender Kater, Watney, zurückgekommen
war und sich mitten auf meinem Bett zusammengerollt hatte. Als ich das Licht
anmachte, schaute er auf und fing zu schnurren an. Ich ging in die Küche und
stöberte im Gefrierfach; ich war mir sicher, daß noch irgendwo eine Packung
meiner geliebten Makkaroni mit Käse steckte. Während ich sie erhitzte, räumte
ich in der Küche etwas auf und schloß die Tür, so daß ich die Baustelle auf
meiner hinteren Veranda nicht mehr ansehen mußte. Dann nahm ich das Essen mit
ins Bett und kuschelte mich mit einem guten Buch unter die Decke. Als ich
aufgegessen hatte, versuchte ich Watney dazu zu verleiten, öfter nach Hause zu
kommen, indem ich ihn die Käsereste von der Alufolie lecken ließ.
Während ich mich um meine Arbeit für
die nächsten Tage kümmerte, versuchte ich, nicht an Rudy Goldrings Tod zu
denken. Ich hatte wirklich genug um die Ohren. Rae tauchte weder am Dienstag
noch am Mittwoch zur Arbeit auf; sie rief an und sagte, sie habe eine Erkältung,
aber ihre Stimme klang nicht krank. Ich führte ihre Abwesenheit auf ihre
fortwährende Unfähigkeit zurück, sich gegen ihren Mann durchzusetzen. So
türmten sich auf meinem Schreibtisch die Fälle; ein Verhör, das ich ihr
übergeben hatte, erforderte eine Fahrt nach Sacramento, wodurch ich einen
halben Tag verlor. Meine Aussage bei der Polizei zu Goldrings Tod kostete einen
ganzen Morgen. Erst am späten Donnerstag kam ich zum Atemholen, und ich wollte
gerade Ben Gallagher bei der Polizei von San Francisco anrufen, um
herauszufinden, ob er mit dem Fall weiterkäme, als das Telefon läutete und Ben
am Apparat war.
Ohne Einleitung sagte er: »Haben Sie
die Autonummer von dem BMW dieser Frau aufgeschrieben?«
»Ja, sie muß in meinem Notizbuch
stehen. Bleiben Sie einen Augenblick dran.« Ich griff nach meiner Handtasche
und wühlte darin. »Eins, GDJ, drei, zwei, sechs.«
»Scheiße. Ich hatte gehofft, Sie hätten
sie mir nur falsch vorgelesen. Aber Sie müssen sie durcheinandergebracht
haben.«
»Warum?«
»Wir haben die Besitzerin des Autos
gefunden. Und sie ist nicht mit der Frau identisch, von der Sie erzählt haben.
Sie hat ausgesagt, daß sie an dem Tag zu Hause eine Besprechung gehabt und das
Auto in ihrer Einfahrt gestanden habe.«
»Vielleicht lügt sie.«
»Nein, die Beschreibung, die Sie mir
gaben, paßt nicht auf sie. Und dann hat sie Zeugen von der Besprechung, die
sagen, daß das Auto da war. Außerdem ist sie nicht eine Frau, die irgendeiner
Art von Publicity aus dem Weg geht.«
»Wer ist es denn?«
»Vicky Cushman.«
»Oh.«
Vicky Cushman mied das Rampenlicht mit
Sicherheit nicht. Sie war eine der bekanntesten Vertreterinnen der
Bürgerbewegung in der Stadt und setzte sich beständig für irgendeine gute Sache
ein — mal ging es um die Rettung der Büffel im Park, dann um den Abriß der
häßlichen Embarcadero-Autobahn. In den letzten Jahren hatte sie ihr Augenmerk
hauptsächlich auf Angelegenheiten gerichtet, die das Haight-Ashbury-Viertel
betrafen, wo sie wohnte.
Ich war Vicky ab und zu bei
irgendwelchen Veranstaltungen begegnet. Ihr Ehemann Gerry arbeitete in einem
bekannten Architektenbüro im Stadtzentrum und war eng mit einem Teilhaber von
All Souls befreundet. Außerdem stehen liberale Aktivisten wie Vicky immer hoch
auf der Liste der Kanzlei. Gallagher untertrieb, wenn er sagte, sie habe keine
Ähnlichkeit mit der Frau, die ich bei Goldring getroffen hatte: Vicky war
zierlich, hatte taillenlanges blondes Haar und Gesichtszüge, die wir in der
High-School neidisch als »niedlich« bezeichnet hatten.
»Vielleicht hatte sie ihr Auto verliehen,
und die Zeugen lügen.«
»Nein, Sie haben die Nummer
durcheinandergebracht. Haben Sie sie gleich aufgeschrieben, als die Frau
wegfuhr?«
»Es verging etwas Zeit, bis ich mein
Notizbuch fand, aber ich habe die Nummer pausenlos vor mich hingesagt.«
»Aha.«
»Also gut, vielleicht stimmt die
Reihenfolge nicht ganz. Warum versuchen Sie nicht...« Aber dann wurde mir die
Vielzahl der statistischen Möglichkeiten bewußt, die sich bei der Überprüfung
dieser sieben Buchstaben und
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