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Dieser Sonntag hat's in sich

Dieser Sonntag hat's in sich

Titel: Dieser Sonntag hat's in sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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mehr ab; sie sahen aus wie
Elefantenohren. Aber er hatte einen süßen, traurigen Mund, leicht schielende,
feucht glänzende Augen und schien sich erst seit ein paar Tagen rasieren zu
müssen. Ich werde immer schwach, wenn ein junges, hilfloses Wesen meine Hilfe
braucht. Und dieses flehte so dringend um meine Aufmerksamkeit.
    »Ja, ich bin neu hier. Ich heiße Alissa
Hernandez.« Einen Augenblick lang hegte ich die geringe Hoffnung, daß er etwas
gegen Leute spanischer Abstammung haben könnte.
    Aber ich hatte kein Glück. Seine Augen
leuchteten auf, und er fragte: »Essen Sie ein Hühnchen mit mir?«
     
    Der junge Mann, der den Dutzendnamen
Jim Smith trug, brauchte drei Stunden, bis er umkippte. Nachdem der Barkeeper
uns Hühnchen mit Pommes frites gebracht hatte (die erstaunlich gut waren, sonst
hätte ich nicht auch noch den größten Teil von Jims Portion gegessen), setzten
wir uns an einen Tisch. Dann hörte ich mir mit halbem Ohr die Geschichte an,
wie Sherri (»Sie schreibt ihren Namen mit i am Ende, und malt das I-Tüpfelchen
immer in Form eines Herzens«) ihn aus ihrer Wohnung in Hollister hinausgeworfen
hatte und daß sie nun mit irgendeinem »Spinner«, der bei einer Tankstelle
arbeitete, ging. Die Geschichte wurde durch verschiedene Nebenerzählungen noch
verkompliziert, und es dauerte eine Weile, bis ich das Gespräch auf die Burning
Oak Ranch lenken konnte. Als es mir endlich gelungen war, räumte Jim zwar ein,
daß die Ranch ein »unglaublich eindrucksvolles Anwesen« sei, aber sonst wußte
er nichts über die Ranch oder die Leute da. Er und Sherri, so erklärte er,
seien erst vor einigen Monaten von Wyoming hierhergezogen.
    »Und jetzt ist unsere Ehe hier in die
Brüche gegangen«, fügte er hinzu. »Die Leute haben uns vor Kalifornien
gewarnt.« Dann, fuhr er mit seiner Geschichte fort. Es machte nichts, daß ich
nur mit halbem Ohr zuhörte; am Ende des Abends kannte ich die ganze Litanei
seines Kummers, denn er hatte sie mir dreimal erzählt — bei jedem Mal war sein
Bericht länger geworden, aber eine Version ähnelte der anderen aufs Haar. Ich
murmelte und nickte an den passenden Stellen, protestierte nicht, als er noch
etwas zu trinken bestellte, und lauschte auf die Gespräche um uns herum. Das
einzige, was ich von der Burning Oak Ranch hörte, war, daß der Sheriff zu
Anfang der Woche Frank Wilkonson einen Besuch abgestattet hatte, aber daß sich
das Problem »aufgeklärt« habe. Die Männer, die sich über den Vorfall
unterhielten, schienen Rancharbeiter zu sein, und wie sie über Wilkonson
sprachen, ließ den Schluß zu, daß er ein Vorgesetzter war, der mit seinen
Untergebenen keine sozialen Kontakte pflegte. Als sich das Lokal gegen zehn Uhr
leerte, lehnte sich Jim Smith nach vorne, legte den Kopf auf die Arme — wie es
ein Schulkind tut, wenn es ihm langweilig ist — und schlief ein.
    Ich trank mein Bier aus, bestellte beim
Barkeeper noch eines und tätschelte dann Jims weiches, braunes Haar. Der
traurige junge Mann war eigenartig anziehend; er erinnerte mich an einen jungen
Hund, eine Promenadenmischung, wie meine Nachbarn, die Curleys, eine hatten.
Ich hoffte, daß Sherri zur Vernunft kommen und mit dem Spinner von der
Tankstelle Schluß machen würde.
    Der Barkeeper wollte mir das Bier
bringen, aber ich winkte ihm zu bleiben, wo er war, und ging zur fast
verlassenen Theke hinüber. »Ich möchte für Jim und mich zahlen«, sagte ich.
    Er schüttelte seinen kahlen Kopf. Er
war beleibt, hatte lebhafte braune Augen und eine gesunde rosige Haut, die sich
über seine Fettpölsterchen spannte. »Das brauchen Sie nicht. Jim geht es nicht
gut — aber das wissen Sie wohl. Ich schreibe seine Rechnung jeden Abend an, und
er zahlt dann später.«
    »Das ist nett von Ihnen.« Ich warf
einen Blick auf die wenigen Gäste, die noch hier waren. »Die Leute hier gehen
früh nach Hause.«
    »Die meisten sind Rancharbeiter. Die
müssen früh raus.«
    »Sie scheinen gerne hierherzukommen.
Wer ist Walt?«
    »Ich.« Er deutete mit dem Daumen auf
seine Brust. »Habe ich Sie heute nachmittag nicht in einem roten MG
vorbeifahren sehen?«
    »Ja. Ich habe Sie auch gesehen. Ich
habe vorbeigeschaut, weil mich Ihre Taverne an ein Lokal erinnert, das ich zu
Hause immer besuche.«
    »Wo kommen Sie denn her?«
    »Aus San Francisco.«
    »Sammeln Sie da auch so Streuner auf?«
Er deutete auf den schlummernden Jim Smith.
    »Manchmal.«
    »Und belauschen Sie dort auch die
Gespräche anderer Leute?«
    » Was ?«
    »Ich

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