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Dieser Sonntag hat's in sich

Dieser Sonntag hat's in sich

Titel: Dieser Sonntag hat's in sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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auf den Lincoln
Way, die lange Straße, die die südliche Begrenzung des Golden-Gate-Parks
bildet, abbog. Er ordnete sich sofort links ein und fuhr an der ersten
Abzweigung in den Park hinein. Die Ampel schaltete um, und ich hielt an, ohne seine
Rücklichter aus den Augen zu lassen. Die Bremslichter des Ranchero leuchteten
auf, als er an den Randstein heranfuhr.
    Da hinter mir keine Autos waren,
wartete ich, obgleich die Ampel wieder grün war. Die Lichter des Ranchero
gingen aus. Dann sah ich Metall aufblitzen, als ob jemand die Tür öffnete, und
eine Reihe schattenhafter Bewegungen, als eine nicht erkennbare Gestalt die
Straße überquerte. Bei Gelb fuhr ich durch und nutzte die erste Parkmöglichkeit
auf dem Lincoln Way.
    Ich schloß das Handschuhfach auf, holte
meine 38er Special heraus und steckte sie in meine Schultertasche. Dann packte
ich meine dicke Jacke, die auf dem Rücksitz lag, und zog sie an, während ich
über die Straße und in den Park hineinlief.
    Dort war es stockdunkel. Ein eisiger
Wind rauschte durch die trockene Vegetation. Er brachte den Geschmack feuchten
Salzes auf meine Lippen und den Geruch von Meer in meine Nase. Das hohle Tuten
eines Nebelhorns klang von der nördlich gelegenen Golden-Gate-Brücke herüber;
als es verklungen war, hörte ich nur noch das Ächzen der Bäume und das schwache
Heulen eines Motorrades auf dem Highway. Obwohl die bebauten Seitenstraßen ganz
in der Nähe waren, fühlte ich mich Kilometer von ihnen entfernt, wie in jene
Tage zurückversetzt, als dieser Teil der Stadt noch ein abgelegener, von Sand
und Dünengras bedeckter Vorposten war.
    Das Nebelhorn erklang wieder, als ich
den Ranchero etwa hundertfünfzig Meter weiter im Schutz einer vom Wind
gebeutelten Zypresse stehen sah. Ich ging auf das Auto zu, kauerte mich bei
seiner hinteren Stoßstange nieder und spähte in die Dunkelheit auf der anderen
Straßenseite, wohin die Gestalt verschwunden war. Die Bäume wuchsen dort
dichter; über ihnen erhob sich eine massive Kegelform, die sich scharf gegen
den weißen Nebel abzeichnete.
    Eine der alten Windmühlen.
    Was zum Teufel tat Wilkonson dort?
    Ich versuchte meine Position zu
bestimmen. Das mußte die Murphy-Windmühle sein, die zur Jahrhundertwende erbaut
worden war, um Wasser ins Strawberry-Hill-Reservoir des Parkes zu pumpen. Jetzt
war die Mühle nicht mehr in Gebrauch und verfiel langsam. Ihr Gegenstück, die
Holländische Windmühle, war vor kurzem restauriert worden und wieder
betriebsbereit. Aber das Geld war ausgegangen, bevor man mit den Arbeiten an
dieser Mühle beginnen konnte, und sie verrottete nun langsam in dem
überwachsenen Dickicht neben einer Kläranlage.
    Dies war schon während des Tages kein
besonders einladender Ort — und erst recht nicht in einer feuchten Nebelnacht.
    Ich kramte in meiner Tasche nach der
Taschenlampe. Dann stand ich auf und leuchtete damit in die Fenster des
Rancheros. Wie ich erwartet hatte, war das Fahrzeug leer. Ich schaltete das
Licht schnell wieder aus und spähte erneut in die Schatten, die die Windmühle
umgaben. Dort bewegte sich nichts. Die einzigen Geräusche waren die
regelmäßigen Klagelaute des Nebelhorns und ein fernes Summen, das aus der
angrenzenden Kläranlage kam.
    Nach einigen Minuten verließ ich den
Schutz des Rancheros und ging auf die andere Straßenseite hinüber. Dort war der
Boden sandig; meine Tennisschuhe machten kaum ein Geräusch, als ich den
leichten Abhang zur Windmühle hinunterstieg. Ich blieb neben einem
undurchdringlichen Dickicht stehen und lauschte.
    Nichts bewegte sich. Niemand atmete.
    Nach einer Weile nahm ich meine
Taschenlampe heraus und richtete sie auf die Windmühle. Sie war achteckig,
unten aus nacktem Beton, oben mit Schindeln verkleidet. Die meisten Schindeln
waren abgeblättert, das ergab ein unregelmäßiges Schachbrettmuster; die unteren
Fenster waren mit Ziegeln zugemauert, während die oberen wie schwarze Löcher
wirkten. Als ich den Strahl meiner Taschenlampe über einen der baufälligen
Fensterrahmen gleiten ließ, flog ein Vogel heraus. Und als ich seinem Flug mit
der Taschenlampe folgte, beleuchtete ich die gewaltige T-förmige Mutter, die
einst die Flügel der Windmühle gehalten hatte, und die abgebrochenen
Stützbalken, die wie riesige Splitter aus den Wänden herausragten. Dann
schaltete ich das Licht aus und wartete, ob jemandem meine Anwesenheit
aufgefallen war.
    Niemand zeigte sich, aber ich blieb
noch einige Minuten lang wachsam stehen. Dann glaubte

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