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Dieser Sonntag hat's in sich

Dieser Sonntag hat's in sich

Titel: Dieser Sonntag hat's in sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Papiertasche, die
ich in Vicky Cushmans Wohnzimmer in Stapeln gesehen hatte, bei meinem Besuch
vor ein paar Tagen.
    Die Tasche enthielt Lebensmittel:
Haschee in Dosen, Thunfisch, Sardinen, Schinkenwurst, Instantkaffee,
Erdnußbutter, Reiskuchen. Außerdem eine Schachtel mit Messern, Gabeln und
Löffeln aus Plastik und einen brandneuen Dosenöffner. All diese Sachen trugen
Preisschilder jener Handelskette, die Vicky um keinen Preis in ihrem Viertel
dulden wollte.
    Ich verlagerte mein Gewicht auf die
Fersen und starrte die roten Buchstaben an. Nur weil Vicky am Donnerstag Papiertaschen
— frisch vom Drucker, wie sie sagte — bei sich zu Hause gehabt hatte, konnte
ich nicht davon ausgehen, daß diese hier von ihr kam. Diese Taschen konnten an
alle möglichen Mitglieder ihrer Nachbarschaftsgruppe ausgeliefert worden sein;
vielleicht waren sie in der Zwischenzeit auch an Hunderte von Kunden in
Haight-Ashbury verteilt worden.
    Aber dieser Zufall war für meinen
Geschmack einfach zu augenfällig.
    Von draußen war ein Geräusch zu hören,
ein Schnüffeln, das von einem Menschen oder einem Tier kommen konnte. Ich blies
die Kerze aus, löschte meine Taschenlampe und wartete gespannt. Niemand kam
herein.
    Ich verstand es als Warnung, daß ich
verduften sollte. Die Penner würden ihre Habseligkeiten sicher nicht lange
unbeaufsichtigt lassen. Vermutlich waren sie auf Nahrungssuche und konnten
jederzeit zurückkommen.
    Ich tastete mich zur Tür und lauschte.
Als ich sicher war, daß das Wesen, das dort draußen herumgeschnüffelt hatte,
verschwunden war, trat ich hinaus, überzeugte mich, daß ich allein war, und
richtete Tür und Riegel so gut es ging wieder so her, wie ich sie vorgefunden
hatte. Dann ging ich um die Windmühle herum den Abhang hinauf, bis ich die
Straße sehen konnte. Wilkonsons Ranchero stand immer noch unter der vom Wind
gebeugten Zypresse.
    Er war in Richtung Windmühle gegangen;
ich hatte ihn gesehen. In der Zeit, in der ich mein Auto geparkt hatte, hätte
er die Mühle erreichen, eintreten und wieder verschwinden können. Aber was
hatte er als nächstes getan? Da sein Auto immer noch da war, mußte er irgendwo
in der Gegend sein. Nur wo?
    Ich konnte kaum das ganze Dickicht im
Park nach ihm durchstöbern. Und ich hatte meine Zweifel, daß er antworten
würde, wenn ich nach ihm riefe, wenn ich ihn zu überreden versuchte, mit mir zu
sprechen. Alles was ich tun konnte, war den Ranchero im Auge zu behalten und auf
ihn zu warten.
    Rechts neben der Windmühle entdeckte
ich in einiger Entfernung, nahe der Straße, einen Schutthaufen. Als ich darauf
zuging, konnte ich Holzbalken und Eisenbleche erkennen; es schien sich um die
Bestandteile eines abgerissenen Schuppens zu handeln. Von hier aus hätte ich
einen guten Blick auf die Mühle und auf den Ranchero — und einen Platz, wo ich
vor Nebel und Wind geschützt war.
    Ich stieg den Hang hinauf und
untersuchte den Haufen im Schein meiner Taschenlampe. Zwei über Kreuz liegende
Balken bildeten ein Dreieck von mehr als einem halben Meter Höhe. Dazwischen
konnte ich mich zusammenrollen. Der Platz war nicht gerade einladend, aber
dunkel und sicher.
    Als ich in die Knie ging und unter die
verwinkelten Balken kroch, dachte ich mit Bedauern an meine kamelhaarfarbene
dicke Jacke, die nach dieser Nacht nie wieder wie neu aussehen würde, und an
die Rechnung für die chemische Reinigung.
     
    Eine Zeitlang war meine Behausung warm
und gemütlich; ich erinnerte mich an längst vergangene Zeiten, als meine
Geschwister und ich die Tagesdecke vom Bett meiner Eltern weit herunterzogen
und uns vorstellten, daß der Raum zwischen den Bettpfosten und dem Boden eine
Indianerhöhle wäre. Aber auch nette Kindheitserinnerungen können nicht alles
wettmachen: Mein Steißbein fing bald wieder an zu pochen. Wie ich mich auch
hinsetzte, es bohrten sich Steine schmerzhaft in mein Hinterteil, und es wurde
immer kälter.
    Ich stellte meinen Jackenkragen hoch,
verschränkte die Arme über die Brust und wärmte meine Hände in meinen Achselhöhlen.
Nach ein paar Minuten war mir so warm, daß ich fast einschlief. Ich streckte
meine Hände in die feuchte, eisige Luft. Bald fühlte ich mich wieder elend und
begann zu schlottern. Sehnsüchtig dachte ich an mein Zuhause, an die dicke
Steppdecke auf meinem großen, warmen Bett.
    Hier im Park zu bleiben war wirklich
der Gipfel an Dummheit. Wilkonson konnte schon viele Kilometer weit entfernt
sein. Vermutlich würde er heute überhaupt nicht mehr

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