Dieser Sonntag hat's in sich
auftauchen. Bestenfalls
würde ich morgen steif, wund und erschöpft sein. Schlimmstenfalls würde ich mir
eine schreckliche Erkältung oder sogar eine Lungenentzündung holen.
Aber trotz all der Argumente, die dafür
sprachen, aufzugeben und nach Hause zu fahren, machte ich mich nicht auf den
Heimweg. Ich bin außerordentlich stur, und auch wenn es sich oft erwiesen
hatte, daß diese Sturheit mir schadete, hatte es doch auch Fälle gegeben, wo
sich mein Starrsinn auszahlte. So wartete ich weiter und dachte über Frank
Wilkonson und Bob Choteau nach, um mich von meiner unbehaglichen Lage
abzulenken.
Die einzige Verbindung zwischen den
beiden Männern war Rudy Goldring. Rudy, der mich beauftragt hatte, Frank zu
beschatten. Rudy, der in seinem Testament Bob Choteau und Irene Lasser,
vermutlich Franks ehemalige Geliebte, bedacht hatte. Zwischen allen vieren
bestand irgendeine Verbindung — eine Verbindung, die ich noch nicht recht
durchschaute.
Und dann war da noch Vicky Cushman.
Vicky, deren Auto — ob sie es zugeben wollte oder nicht — am Tag von Rudys
Ermordung von Irene gefahren worden war. Vicky, die die Papiertaschen mit der
Aufschrift ICH HABE IN DER NACHBARSCHAFT EINGEKAUFT! am Donnerstag in ihrem
Wohnzimmer gehabt hatte. Vielleicht maß ich der Tasche zuviel Bedeutung bei.
Aber sie sah neu aus, unwahrscheinlich, daß jemand sie weggeworfen hatte, und
die Lebensmittel in der Tasche waren teuer.
Vielleicht gab es auch eine Verbindung
zwischen Bob Choteau und Vicky Cushman.
Vicky bereitete mir Kopfschmerzen. Ihre
Lüge mit dem Auto... ihr überdrehtes Verhalten... der Versuch, sich mit Wein
und Drogen zu beruhigen... War etwas zwischen ihr und Gerry nicht in Ordnung...
war da noch etwas anderes faul... vielleicht... aber was?...
Ein Geräusch schreckte mich auf. Ich
hatte gedöst, nicht richtig tief geschlafen. Ich warf einen Blick auf die Uhr.
Als ich in die Höhle gekrochen war, war es fast zwei Uhr gewesen, jetzt war es
zwanzig nach vier.
Es war eine Polizeipatrouille, die mich
aufgeweckt hatte. Ich hörte den Motor des Wagens und das Gemurmel des
Polizeifunks. Ich erhob mich und schaute zwischen den Balken auf die Straße
hinunter. Zwei Polizisten in Uniform untersuchten den Ranchero. Einer leuchtete
mit seiner Taschenlampe in die Fenster hinein, während der andere weiter
entfernt stand und bereit war, den Revolver zu zücken. Nachdem sie das Fahrzeug
eingehend betrachtet hatten, schrieb der mit der Taschenlampe einen Strafzettel
aus — es ist verboten, um diese Zeit dort zu parken — und steckte ihn unter den
Scheibenwischer. Dann kehrten die beiden zu ihrem Streifenwagen zurück und
fuhren weg.
Ich wollte mich wieder in meiner
Schutzhöhle niederlassen, aber mein Körper war verkrampft und kalt, und meine
Entschlossenheit war etwas geschwunden. Das Geräusch des Automotors entfernte
sich, und mir fiel auf, daß das Nebelhorn nicht mehr tutete. Das bedeutete, die
Nebeldecke war aufs Meer hinausgezogen; das Land hatte sich abgekühlt, und nun
würde bittere Morgenkälte einsetzen.
Ich kroch aus meinem Versteck hervor
und ging zur Straße. Als mein Blick auf den Ranchero fiel, erinnerte ich mich,
auf dem Sitz eine Decke entdeckt zu haben, als ich einige Stunden zuvor in das
Fenster hineingeleuchtet hatte. Es gab keinen Grund, warum ich nicht in
Wilkonsons Auto auf seine Rückkehr warten sollte. Ich hatte keine Lust, weiter
Versteck zu spielen. Ich würde ihm einfach gegenübertreten und Erklärungen
verlangen. Aber er kehrte nicht zurück.
Als der Verkehr auf den umliegenden
Straßen stärker wurde, wußte ich, daß die Stadt aufwachte, und ich fing an, mir
Sorgen zu machen. Ich setzte mich auf, faltete die Decke wieder zusammen und
starrte durch den grauen Morgennebel auf die Windmühle. Sie sah jetzt noch
verfallener aus: Die Schindeln hingen an ihr herab, als ob sie in der Mauser
wäre; an den Stellen, wo die Stützbalken der Flügel nicht eingesunken und
gesplittert waren, waren sie verfault. Rundherum war die Vegetation
abgestorben, die vom Wind malträtierte Zypresse beugte sich tief zu Boden, ihre
kahlen silbrigen Äste ragten wie Klauen in den grauen Himmel.
Wiederum lenkte mich das Knattern eines
Polizeisenders ab; es war wohl Zeit für die nächste Patrouille. Ich duckte
mich, öffnete die Autotür und schlüpfte hinaus. Während der Wagen hinter dem
Ranchero anhielt, kroch ich durch das Unterholz, bis ich auf einen Weg stieß,
der mich zu meinem MG am Lincoln Way bringen
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