Dieser Sonntag hat's in sich
verschwand durch das Tor und knallte
es so laut zu, wie Vicky es mit dem Fenster getan hatte. Ich ging zu dem
kleineren Schloßgebäude hinüber. Als ich den Knauf drehte, öffnete sich die
Tür, ich trat ein und rief nach Vicky. Sie antwortete nicht. Ich schloß die Tür
und schaute mich um.
Im Erdgeschoß befand sich ein
Wohnzimmer; in die Mauerwölbung war ein Kamin eingepaßt. Von der Mitte des
Raumes aus führte eine Wendeltreppe nach oben. Es herrschte das reine Chaos:
Auf einem Stuhl und auf dem davorstehenden Fußschemel lag Bettzeug. Auf einem
zweiten Stuhl stand ein leerer Krug mit Rotwein und ein halbvoller
Brandyschwenker. Meine Augen folgten der roten Spur, die über den hellblauen
Teppich zum Kamin lief. Dort lag ein zerbrochenes Weinglas, und an der Wand
über dem Sims zeichnete sich ein großer roter Fleck ab. Ich schüttelte den
Kopf, ging zur Treppe und rief erneut.
»Ich bin hier oben«, sagte Vickys
Stimme. »Ist der Scheißkerl weg?«
Ich stieg die Stufen in das
Schlafzimmer hoch. Es war rund und ganz in Blau gehalten; eine Tür führte zu
einem kombinierten Bade- und Ankleidezimmer, das in dem rechteckigen Raum über
der Eingangshalle untergebracht war. Vicky saß zusammengekauert auf dem größten
Bett, das ich je gesehen hatte — das gepolsterte Kopfteil paßte sich genau dem
Bogen der Turmwand an, woraus ich schloß, daß es sich um eine Maßanfertigung
handelte. Die Laken und Decken waren zerwühlt und zerknittert, und die meisten
Kissen — mindestens zehn lagen da herum — waren zu Boden gefallen. Vicky trug
ein langes, weißes Nachthemd mit Rüschen, das jungfräulich ausgesehen hätte,
wären da nicht die roten Spritzer gewesen, die genauso aussahen wie die Flecken
im Wohnzimmer unten. Sie rauchte einen Joint.
Tut mir leid, Gerry, dachte ich, ich
hätte es gerne versucht.
»Ist der Scheißkerl weg?« fragte sie
erneut.
»Wenn Sie Gerry meinen, ja. Sein Kunde
ist gekommen, und sie sind weggefahren. Ich bin vorbeigekommen, um zu sehen, ob
Sie in Ordnung sind.«
»Jetzt, da er weg ist, schon.« Sie
hielt mir den Joint hin.
Ich schüttelte den Kopf und setzte mich
am Fußende aufs Bett.
»O ja, richtig. Ihre Droge ist Alkohol.
Ich würde Ihnen gern Wein anbieten, aber ich habe alles leergetrunken. Den Rest
habe ich an die Wand geschmissen«, kicherte sie.
»Ich nehme an, Sie beide hatten
Streit«, sagte ich. »Wollen Sie darüber sprechen?«
»Was gibt es da schon zu sagen? Es war
nur eine weitere Folge in unserer Streitserie. Es ist ein Stoff für eine
Schmierenkomödie. Was halten Sie von dem Titel Wie der Wurm sich windet.«
»Vicky...«
»Mir gefällt er, Ihnen nicht? Natürlich
müßten alle Mitspieler, außer Gerry, Frauen sein. Das würde ihm gefallen. Gerry
und seine Frauen.«
Aha, dachte ich, sie weiß es — und es
macht ihr etwas aus.
Vicky drückte den Joint in einem
Aschenbecher aus. Dann nahm sie ein Kissen und zog sich zum Kopfteil zurück.
Sie setzte sich im Schneidersitz hin und hielt das Kissen wie einen
Schutzschild vor die Brust.
»Wissen Sie, wann ich herausfand, was
er für ein Mistkerl ist?« sagte sie. »Das ist schon Jahre her. Meine älteste
Tochter, Lindy, war gerade auf die Welt gekommen. Sie war noch ein Baby, und
wir lebten in Sunset. Ich kam gerade heim und sah, wie Gerry am hellichten Tag
mit einer Frau in ihrem Wagen schmuste, direkt vor unserem Haus.«
»Was haben Sie gemacht?«
»Ich habe gewartet, bis er ausstieg,
und dann versucht, ihn zu überfahren. Ich verlor jedoch die Kontrolle über den
Wagen und fuhr auf einen Hydranten. Überall spritzte Wasser herum. Ich bin aus
dem Auto gesprungen, ins Haus gerannt und habe mich in unserem begehbaren Schrank
eingeschlossen. Vierundzwanzig Stunden lang habe ich da gehockt und hatte einen
Schreianfall nach dem anderen.«
Einen Augenblick lang war sie still.
Ihr Blick war nach innen gerichtet, so als ob sie jene Stunden in dem Schrank
noch einmal durchlebte. »Als ich herauskam, sagte mir der Scheißkerl, daß er
eine offene Ehe wolle. Das war die erste Folge unserer Schmierenkomödie.
Seitdem steht die Serie in der Publikumsgunst ganz oben. Ich kann keine offene
Ehe führen, ich will nicht, und Gerry läßt sich nicht davon abbringen.«
Ich wußte nicht, was ich sagen sollte.
So saß ich einfach da und fragte mich, warum sie mich zu einem unfreiwilligen
Zeugen machen wollte. Wenn Vicky eine gute Freundin gewesen wäre — wie zum
Beispiel Anne-Marie — , hätte ich ihr gerne zugehört. Aber
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