Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dieser Sonntag hat's in sich

Dieser Sonntag hat's in sich

Titel: Dieser Sonntag hat's in sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
Vom Netzwerk:
Motel
an. Wilkonson war immer noch nicht eingetroffen. Dann wählte ich Raes Nummer;
keine Antwort. Unverdrossen beschloß ich, es bei Anne-Marie zu versuchen. Hank
war in der Kanzlei, also konnten wir uns in Ruhe unterhalten. Wir waren beide
zurückhaltend, wenn es um unser Privatleben ging, aber sie hatte mir sehr
geholfen, als ich mich von Don trennte, und vielleicht konnte ich mich jetzt
revanchieren.
    Aber ich erreichte nur ihren
Anrufbeantworter, und das verdammte Ding warf mich aus der Leitung, bevor es
überhaupt einen Pfeif ton von sich gab.
    Ich legte das Telefon weg und lehnte
mich in meinem Liegestuhl zurück. Ich dachte an meine jüngste Schwester, Patsy,
die zusammen mit ihrem Ehemann Evans vor kurzem in Ukiah ein Restaurant
eröffnet hatte. Ich konnte sie nicht anrufen — es war Sonntag, und sie
servierten gerade das Abendessen. Ich hatte noch andere Freundinnen hier in der
Stadt, die ich anrufen könnte — Paula, Carolyn, Liz, Alison. Aber an schönen
Sonntagen zieht es die Bewohner von San Francisco ins Freie, und bestimmt waren
sie nicht zu Hause. Ich sollte meine Mutter anrufen, aber ich hatte keine Lust.
Seit meiner Trennung von Don lag mir meine Mutter wegen meiner Ehelosigkeit in
den Ohren. Ich zog sogar in Erwägung, meinen alten Freund Wolf, einen
Privatdetektiv, mit dem ich einmal zusammengearbeitet hatte, anzurufen. Ich
wußte, daß er die Sonntage mit seiner Freundin Kerry Wade verbrachte.
    Warum, dachte ich, ruft nie jemand an,
wenn man einmal Lust hat zu reden. Wenn man seine Ruhe haben will, läutet das
Telefon ununterbrochen.
    Ich blieb auf meinem Liegestuhl, bis
die Sonne von der Terrasse zu meinem verwilderten Garten gewandert und hinter
den Fichten am Ende des Grundstücks verschwunden war. Gegen halb sechs stand
ich auf und ging ins Haus, um mir ein Glas Wein zu holen. In letzter Zeit habe
ich angefangen, die guten Sachen zu trinken — Wein mit Korken — und nicht mehr
die billigen Supermarktvarianten, von denen ich mich in meiner Jugend ernährt
hatte. Der Korken einer Flasche White Zinfandel, die ich zu öffnen versuchte,
war ganz trocken — und das nannte sich dann guter Wein. Als es mir schließlich
gelungen war, ihn herauszuziehen, rutschte der Korkenzieher ab und bohrte sich
in meinen Daumen.
    Sonntag, dachte ich. Der Sonntagabend
senkt sich über die Dächer.
     
     
     

17
     
    Wilkonson traf nie in seinem Motel ein,
und ich fand es sinnlos, wenn nicht gar tollkühn, zur Windmühle zurückzukehren.
So wartete ich am nächsten Tag um sechs Uhr morgens, nachdem ich mich richtig
ausgeschlafen hatte, in meinem MG in der Sackgasse bei den Cushmans. Ich
vermutete, daß über kurz oder lang einer von ihnen Kontakt mit Irene Lasser
aufnehmen würde; und ich plante, demjenigen zu folgen, der das Haus an diesem
Tag als erster verlassen würde; sollte dies erfolglos bleiben, wollte ich mich
am nächsten Morgen dem anderen an die Fersen heften.
    Während ich wartete und auf die
goldenen Blätter der Pappeln starrte, hatte ich leichte Schuldgefühle, weil ich
meine Pflichten bei All Souls vernachlässigte. Aber mein Schreibtisch war
ziemlich leer, und ich schob die Skrupel beiseite. Außerdem war es an der Zeit,
daß Rae ihren Teil der Arbeit übernahm. Ich hatte am vergangenen Abend noch bis
zehn versucht, sie zu erreichen; aber niemand war ans Telefon gegangen. Also
beschloß ich, davon auszugehen, daß sie rechtzeitig im Büro auftauchen und sich
um alle dringenden Angelegenheiten kümmern würde.
    Die Cushmans schienen nicht viel davon
zu halten, es am Montagmorgen besonders früh mit der Welt aufzunehmen. Es war
fast acht, als sich das Autotor öffnete und Vickys BMW herausfuhr. Ich verkroch
mich in meinem Sitz, als der Wagen vorbeiglitt, dann setzte ich mich auf und
ließ den Motor an.
    Der BMW folgte dem Verkehrsfluß die Oak
Street hinunter, die am Pfannenstiel, dem Ausläufer des Golden-Gate-Parks,
entlang in östlicher Richtung verläuft. Ich blieb ein paar Autolängen hinter
dem Wagen und versuchte, einen Blick auf die Insassen zu erhaschen. Vicky
schien einen dunklen Schal über ihre welken Locken geworfen zu haben; auf dem
hinteren Sitz waren zwei blonde Köpfe zu sehen. Sie brachte offenbar ihre
Mädchen, Betsy und Lindy, zur Schule.
    Der BMW bog am Divisadero ab und fuhr
nach Pacific Heights. Als ich einen Straßenabschnitt am Broadway erreichte, wo
Busse und Autos Kinder auf die Straße entließen, wurde mir klar, daß die
Cushman-Töchter zur Abbot-Schule, einer

Weitere Kostenlose Bücher