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Dieser Sonntag hat's in sich

Dieser Sonntag hat's in sich

Titel: Dieser Sonntag hat's in sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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manchmal
schlimme Phantasie mich sofort an eine Ménage à trois denken ließ. Aber
nein — eine solche Situation würde vielleicht Gerry gefallen, Vicky wäre
niemals dazu bereit. Gerry hatte schon vor vielen Jahren eine offene Ehe
gewollt, zumindest hatte Vicky mir das gesagt. Sie hatte auch noch gesagt, das
kann ich nicht, und das will ich nicht.
    Wie standen die beiden Frauen aber dann
zueinander? Waren sie nur Freunde? Oder verwandt... ?
    Und dann dachte ich an Vicky, die
völlig erschöpft war von ihren zahllosen Aufgaben, zu überarbeitet, um sich
richtig um ihre Töchter zu kümmern. Und dann fiel mir ihre Bemerkung wieder ein
über die Frau, die für sie arbeitete und ihr gesagt hatte, daß sie ein Hobby
brauchte — »etwas Friedliches, bei dem ich mit meinen Gedanken allein sein
könnte«. Ein friedliches Hobby, so eines, wie das, dem sich Irene gerade
widmete.
    Ich dachte auch an die Szene, als Betsy
ins Wohnzimmer gekommen war und ihre Mutter gefragt hatte, ob Rina und Lindy
und sie in der Küche Popcorn machen könnten. Rina — eine Kurzform von Irene.
    Kein Wunder, daß Vickys Antwort so
ablehnend und unverhältnismäßig heftig ausgefallen war. Sie hatte mir gegenüber
gerade bestritten, ihr Auto an eine Frau mit langem, kastanienbraunem Haar
verliehen zu haben; sie hatte abgeleugnet, daß sie jemanden kannte, auf den
diese Beschreibung paßte, und dann wollte ihre Tochter genau diese Frau durch
das Zimmer führen. Vicky hatte gestern morgen auf ähnliche Weise reagiert, als
ich vorgeschlagen hatte, in die Küche zu gehen und Frühstück zu machen — vermutlich
weil Irene gerade zu dieser Zeit das Frühstück für die Kinder zubereitete.
    Irene war also Cushmans Kindermädchen,
Erzieherin oder wie man solche Leute nennt. Sie lebte sicherlich auf dem
Anwesen, vielleicht in dem ehemaligen Gesindehaus. Sie und ihr kleines Mädchen
waren die ganze Zeit dort gewesen. Aber warum die Geheimnistuerei? Weil sich
Irene vor ihrem Exmann versteckte? Weil Frank Wilkonson sie suchte? Weil Susan
die Tochter eines dieser Männer war und Irene nicht wollte, daß der Vater sie
zu sehen bekäme? Auf jeden Fall schien keiner dieser möglichen Gründe Lügen in
einem Mordfall zu rechtfertigen.
    Aber dann dachte ich daran, daß Leute
wie die Cushmans oft glauben, über dem Gesetz zu stehen. Sie sind die ersten,
wenn es darum geht, über mangelnden Polizeischutz zu klagen und sich mit
Handfeuerwaffen auszurüsten. Aber sie sind die letzten, wenn es gilt, der
Polizei die für eine Verhaftung notwendigen Informationen zu geben.
    Der Gedanke machte mich wütend. Zum
Teufel mit der sanften Tour, beschloß ich. Es war mir gleich, ob ich Irene
Lasser erschreckte. Ich wollte nur ein paar ehrliche Antworten. Gerade als ich
aus dem Auto steigen wollte, gingen jedoch Männer in Jeans und karierten
Hemden, die den Weg entlanggeschlendert waren, in den Garten. Irene winkte
ihnen zu, sie winkten zurück und holten sich Geräte aus dem Schuppen. Bald darauf
hatten sie ihre Hemden auf Weinstöcke gehängt, arbeiteten neben ihr und
scherzten ab und zu mit Susan. Keine halbe Stunde später tauchten zwei ältere
Frauen auf; sie zogen lange Schläuche heraus und begannen, den Boden zu
bewässern. Ein junger Mann erschien mit zwei Kindern, die etwa Susans Alter
hatten; die Kinder schlossen sich Susan an, und sie bauten zusammen eine schöne
Burg aus Lehm. Der junge Mann strich um Irene herum, sprach mit ihr und stand
ihr im Weg. Nach einer Weile fuhr sie ihn an, räumte ihre Werkzeuge weg und
rief nach Susan. Sie winkten den anderen zu, verließen den Garten, stiegen in
den BMW und fuhren weg.
    Ich überlegte, ob ich ihnen folgen
sollte, entschied mich aber, es nicht zu tun. Es war nach elf; vermutlich
fuhren sie zum Mittagessen zurück. Wenn Vicky auch da war, würde ich keinen Fuß
auf das Grundstück setzen können. Statt dessen stieg ich aus dem Auto und
spazierte zum Garten hinüber.
    Als erstes traf ich auf eine von den
Frauen mit den Schläuchen. Als ich sie ansprach, drehte sie sich abrupt um, und
Wasser lief über meine Stiefel. »Das tut mir leid«, sagte sie. »Aber Sie
sollten hier auch keine so guten Stiefel tragen. Die Absätze sinken im Schlamm
ein, und das macht das Leder kaputt.«
    »Die sind alt, und das Leder ist
sowieso schon im Eimer«, sagte ich. »Können Sie mir sagen, ob das Irene Lasser
und ihre Tochter Susan waren, die ich gerade wegfahren sah?«
    »Die Frau mit dem kleinen Mädchen? Ich
weiß ihren Namen nicht.

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