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Dieser Sonntag hat's in sich

Dieser Sonntag hat's in sich

Titel: Dieser Sonntag hat's in sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Sie eine Ahnung, wohin er fahren
und was er tun wollte?«
    »Ich habe Ihnen schon gesagt, daß er
nie davon spricht.« Ihre Erschöpfung war jetzt verschwunden. Ihre Stimme klang
scharf, was wohl auf Nervosität oder Angst zurückzuführen war.
    »War er irgendwie anders, bevor er
fuhr? Anders als sonst?«
    »Ich weiß nicht, was Sie damit meinen.«
    »War er aufgeregt? In Eile? Nervös?«
    »Nein. Alles war normal.«
    Außer daß die Situation an sich wohl
alles andere als normal war. »Haben Sie den Sheriff benachrichtigt, Mrs.
Wilkonson? Haben Sie die Krankenhäuser angerufen?«
    »...ich kann nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Ich kann nicht, das ist alles.« Sie
hielt inne und fügte dann hinzu: »Hören Sie, Ms. Hernandez, ich hätte Ihnen am
Freitag das nicht alles erzählen sollen. Das ist eine Privatangelegenheit, die
nur Frank und mich etwas angeht. Bitte vergessen Sie einfach, was ich Ihnen
gesagt habe.«
    »Es bleibt zwischen uns.« Ich wußte
nicht, ob das auf die Dauer möglich sein würde, aber ich wollte sie jetzt nicht
weiter beunruhigen.
    »Danke. Ich höre jetzt wohl besser auf.
Vielleicht versucht Frank, mich zu erreichen.«
    »Gut. Ich rufe Sie heute nachmittag
noch mal an.«
    »Warum?«
    »Ich mache mir Sorgen um Sie. Ich
möchte nur sicher sein, daß alles in Ordnung ist.«
    Jane Wilkonsons Antwort klang
überrascht. »Danke«, sagte sie. »Es ist schön zu wissen, daß sich jemand, um einen kümmert.«
    Selbst wenn dieser Jemand eigentlich
eine Fremde war.
     
    Gleich nachdem wir das Gespräch beendet
hatten, rief ich die Polizei an, um nicht über die traurigen Erfahrungen, die
Jane Wilkonsons letzter Satz andeutete, nachdenken zu müssen. Gallagher war im
Mannschaftsraum.
    »Irgend etwas Neues im Fall Goldring?«
fragte ich.
    »Wollen Sie sich vergewissern, daß wir
Ihre Steuergelder nicht verpulvern?« Bens Worte klangen scharf — und ich kannte
den Grund nur zu gut. San Francisco hat bei Morden eine sehr niedrige
Aufklärungsrate, dem letzten Bericht zufolge die zweitschlechteste aller
kalifornischen Städte. Im letzten Jahrzehnt konnten vier von zehn Morden nicht
aufgeklärt werden. Wenn man als Kriminalbeamter eine solche Zahl zu
verantworten hat, geht man automatisch in die Defensive.
    »Ich interessiere mich nur für den Fall«,
sagte ich. »Nichts weiter. Der Mann war schließlich unser Mandant.«
    »Es tut mir leid — heute ist Montag.
Sie wissen ja, wie das ist.«
    »Ja. Konzentrieren Sie sich immer noch
auf Bob Choteau?«
    »Ja. Der Schweinehund ist im Park
verschwunden.«
    »Haben Sie irgendwelche anderen Spuren?
Haben Sie je herausgefunden, mit wem Goldring um zehn Uhr verabredet war?«
    »...Nein.«
    »Ich nehme an, Sie haben seine
Kundenkartei überprüft. Sie haben doch ein Verzeichnis der Männer, die bei ihm
Hemden gekauft haben?«
    »Natürlich.«
    »Könnte ich vielleicht mal einen Blick
darauf werfen?«
    »Nein.«
    »Ben...«
    »Sharon, Sie vergessen, wie lange ich
Sie und Ihre Arbeitsweise schon kenne. Vielleicht läßt es der Lieutenant bei
seinen Fällen zu, daß Sie Ihre Nase in Angelegenheiten stecken, die Sie nichts
angehen; aber bei mir geht da nichts. Keine Kartei!« Und dann hängte er auf.
    Ich nahm den Hörer vom Ohr und
betrachtete ihn mit Erstaunen. Gallagher hatte sich im Laufe der Jahre wirklich
verändert. Er begann Lieutenant Greg Marcus in verblüffender Weise zu ähneln — mit
einer Ausnahme: Greg hatte meine Instinkte praktisch von Anfang an respektiert;
wenn ich ihn nach Goldrings Kundenkartei gefragt hätte, hätte er sich
gefragt, worauf ich hinauswollte, und darauf bestanden, alles zu erfahren, was
ich wußte.
    Dennoch konnte ich verstehen, warum
Gallagher die Sache so einseitig anging. Willkürliche Tötungsdelikte — bei
denen es anscheinend keine Verbindung zwischen Opfer und Täter gibt — machen
drei Viertel der Kapitalverbrechen in San Francisco aus. Wenn ein
Kriminalbeamter irgendeine Spur entdeckt, die auf eine Verbindung zwischen dem
Opfer und seinem Mörder hinweist, verfolgt er diese unbeirrt. Außerdem mußte
sich Gallagher inzwischen noch um weitere Fälle kümmern, die noch nicht so
lange zurücklagen; Goldring war schon vor einer Woche ermordet worden — Schnee
von gestern. Außer in spektakulären oder sehr umstrittenen Fällen laufen die
Untersuchungen in Mordfällen nach zweiundsiebzig Stunden meistens nur noch auf
kleiner Flamme weiter, ganz einfach deshalb, weil die Chancen, den Fall
aufzuklären, nach drei Tagen

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