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Dieser Sonntag hat's in sich

Dieser Sonntag hat's in sich

Titel: Dieser Sonntag hat's in sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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meine
Rippen. »Keiner meiner Schüsse hat ihn getroffen?«
    »Nein.«
    Einen Augenblick lang fragte ich mich,
warum die Schüsse keine Nachbarn alarmiert hatten; dann wurde mir klar, daß
dieses Viertel nachts den Obdachlosen gehört — und die wollten sicherlich
nichts hören.
    »Haben Sie gesehen, was passiert ist?«
    »Zum Teil. Er hatte mich zu Boden
geworfen, bevor Sie das Fenster einschlugen.«
    Dann fiel mir ihr Schrei wieder ein.
»Wie hat er Ihnen weh getan?«
    »Er hat auf einen Nerv gedrückt.« Ihre
Stimme klang bitter. »Er ist in solchen Sachen sehr geschickt. Er hat
Physiologie und Tiermedizin studiert. Es hat mich immer erstaunt, was er
während seiner Ausbildung alles gelernt hat.«
    Ich erinnerte mich an meine spontanen
negativen Gefühle gegenüber Hal Johnstone. Ich hatte mit meinem Urteil doch
nicht so danebengegriffen. »Hat er Ihnen schon früher einmal so weh getan?«
    Sie ließ den Kopf leicht sinken und
guckte beschämt. Vielleicht glaubte sie ihm wirklich, daß alles ihre Schuld
war.
    »Können Sie mir nach oben helfen?«
fragte ich.
    Langsam half mir Irene auf die Beine.
Schmerzen liefen wie Nadelstiche mein Rückgrat hinunter; in meinem Kopf und in
meinen Knien pochte es; aber nichts schien gebrochen zu sein. Ich stützte mich
auf sie, während wir die Stufen hinaufstiegen und über die Veranda zur Küche
gingen.
    Irgendwo in der Wohnung schluchzte ein
Kind. Irene sagte: »O Gott, ich habe Susan vergessen!« Sie lehnte mich gegen
eine Anrichte neben der Tür, und fort war sie.
    Also war das Kind doch hier. Warum
hatte sie Hal erzählt, daß sie es bei Freunden gelassen hätte? Hatte sie Angst,
daß er Susan auch weh tun könnte?
    Nach einer Weile ging ich zurück auf
die Küchenveranda. Meine Handtasche hing immer noch an dem Pfosten oben an der
Treppe. Den Revolver fand ich an der Seite unter einem Hocker. Ich sicherte
ihn, steckte ihn in meine Tasche und ging in die Küche zurück. Auf meinem Weg
zum Tisch trat ich auf Rudy Goldrings Kreidemarkierungen. Ein Schauer überlief
mich, als ob ich über sein Grab ginge. Dann dachte ich: Das macht jetzt auch
nichts mehr.
    Als ich mich an den Tisch setzte, kam
Irene in die Küche zurück. »Susan schläft wieder«, sagte sie. »Wollen Sie einen
Drink — einen Brandy?«
    »Ja, bitte.« Ich beobachtete sie, wie
sie zum Schrank ging und eine Flasche und zwei Gläser herausholte. »Haben Sie Hal
nicht gesagt, daß Susan bei Freunden wäre?«
    »Ja, bei den Cushmans. Sie verstehen
sicher, warum ich ihn nicht in ihre Nähe lassen wollte. Ich habe ihr ein
leichtes Beruhigungsmittel gegeben und sie in das Zimmer nebenan gelegt; dann
habe ich ihm gesagt, daß ich Angst hätte, nach hinten zu gehen, weil Rudy dort
gestorben sei. Ich hätte wissen müssen, daß er mich daraufhin sofort hierherschleppen
würde.«
    Während sie die Gläser auf den Tisch
stellte und mir gegenüber Platz nahm, beobachtete ich sie. Ihre Hände
zitterten, aber sie schien sich in der Gewalt zu haben, was angesichts der
Geschehnisse doch sehr erstaunlich war. »Hatten Sie, nach dem, was mit Rudy
geschehen war, keine Angst, hierher zurückzukommen?«
    »Nein. Nach dem ersten Schock, als ich
ihn gefunden hatte, schien alles so unwirklich zu sein. Ich habe schon einmal
so etwas... Traumatisches durchgemacht und dann eine ganze Weile weitergelebt,
als ob nichts geschehen wäre.« Ihre Augen wanderten zum Boden vor dem Herd.
»Aber irgendwann holt einen die Wirklichkeit ein.«
    »Hal hat praktisch zugegeben, Rudy
ermordet zu haben.«
    Sie nickte. »Er muß die Truhe mit den
Briefen, die ich im Dachboden auf der Ranch zurückgelassen hatte, durchsucht
haben. Nur so konnte er erfahren, daß ich einen guten Freund hier in der Stadt
hatte. Er muß es gewesen sein, der an dem Tag hier war. Er wußte, in welchem
Zimmer Rudy starb. Er schien die Adresse zu kennen, ohne daß ich ihm den Weg
beschrieb. Die Stillman Street ist nur eine Gasse; die kennt man nur, wenn man
schon einmal hier war.«
    »Ohne daß Sie ihm den Weg
beschrieben? Hatten Sie sich mit ihm hier verabredet?«
    »Ja.«
    »Warum?«
    »Als er angerufen hat und mir erzählte,
daß Frank tot sei, sagte er, daß wir einiges besprechen müßten.«
    »Was?«
    Sie schüttelte den Kopf und schaute in
ihr Glas.
    Der Mann war ein Sadist, der ihr schon
früher weh getan hatte. Sie hatte solche Angst gehabt, ihn in der Nähe ihres
Kindes zu wissen, daß sie Susans Gegenwart verheimlicht hatte. Es ergab keinen
Sinn, daß sie bereit war,

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