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Dieser Sonntag hat's in sich

Dieser Sonntag hat's in sich

Titel: Dieser Sonntag hat's in sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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ihn allein an einem so verlassenen Ort zu treffen. Es
sei denn, daß das, was sie besprechen mußten, etwas — oder jemanden — betraf,
das — oder den — sie noch mehr fürchtete als ihn.
    Ich richtete mich ein bißchen auf und
stellte ihr eine Frage, die mich schon lange bewegte. »Irene, woher wußte Hal,
daß er Sie heute nachmittag bei den Cushmans erreichen konnte?«
    »Ich nehme an, daß Vicky es ihm gesagt
hat. Sie hatte nämlich gedroht, Harlan und Frank anzurufen. Aber Harlan ist...
krank, und wenn sie das Ranchhaus angerufen hat, hat sie vermutlich Hal erreicht.«
    »Ich verstehe. Was er mit Ihnen
besprechen wollte, muß ziemlich dringend gewesen sein, wenn er den weiten Weg
hierher fuhr, anstatt die Sache am Telefon zu erledigen.«
    Schweigen.
    »Verdammt, Irene! Der Mann ist ein
Mörder! Sie haben kein Recht, ihn zu schützen.«
    »Ich schütze nicht Hal.«
    »Wen dann? Den Mörder von Frank?«
    Keine Antwort.
    Ich hatte genug von ihren Spielchen;
ihr Schweigen machte mich wütend. »Irene, ich habe heute abend mit Gerry
gesprochen. Er sagt, daß Susan nicht Wilkonsons Kind sei.«
    Langsam hob sie den Kopf. »Das würde er
nie sagen.«
    »Eben doch, und er wollte das auch
Frank sagen — wenn Frank letzten Samstag zur Windmühle gekommen wäre.«
    »Nein! Er hätte...«
    »Mama, ich habe Angst!«
    Wir drehten uns beide zur Tür. Dort
stand Susan in ihrem gelben Frotteeschlafanzug. Ihr hellblondes Haar war
zerzaust. Sie blinzelte ins Licht; als Irene nicht sofort antwortete, steckte
sie den Daumen in den Mund.
    Ich verglich Irenes Gesicht mit dem des
kleinen Mädchens. Dann tat ich das gleiche mit Hal Johnstones Zügen — und
schaute wieder Irene an.
    Ich sagte: »Darum geht es also. Hal ist
Susans Vater.«
     
    Irene wurde blaß und saß ganz still.
Susan verzog das Gesicht; man ignorierte sie. Dann nahm sie den Daumen aus dem
Mund und fing an zu weinen. Sofort sprang Irene auf. Sie kniete sich vor das
Kind hin und nahm es in die Arme, so als ob sie es mit ihrem eigenen Körper vor
mir schützen wollte. Nach einer Weile beruhigte sich Susan. Irene hob sie hoch
und sagte: »Ich bringe sie wieder ins Bett.«
    Während sie sich um ihre Tochter
kümmerte, wartete ich, nippte an meinem Brandy und dachte über die vielen
Fragen nach, die ich ihr stellen wollte.
    Als Irene gut zehn Minuten später
zurückkam, hatte sie ihr Make-up aufgefrischt und ihren wirren Zopf
hochgesteckt. Sie bewegte sich steif; ihre Augen glitzerten, wie von einer
dünnen Eisschicht überzogen. Sie setzte sich, faltete die Hände auf dem Tisch
und schaute mich still an.
    Offensichtlich hatte sie während ihrer
Abwesenheit nicht nur ihre Frisur, sondern auch ihre Gefühle geordnet. Ich
spürte, daß nun, da die Wahrheit ans Licht gekommen war, nicht mehr mit
Ausbrüchen oder Ausflüchten zu rechnen war. Das würde es für uns beide leichter
machen, aber ich fragte mich trotzdem, was passieren würde, wenn sie
schließlich ihren Gefühlen freien Lauf ließe.
    »Ich hatte recht, nicht wahr? Hal ist Susans Vater.«
    »Ja.«
    »Wer weiß es?«
    »Nur er und ich. Und jetzt Gerry.«
    »Meldet er Ansprüche auf seine Tochter
an?«
    »Um Gottes willen, nein! Hal haßt
Kinder. Mich haßt er auch — ich war ihm zuwider, seit er mich bei meiner
Hochzeit mit Harlan zum erstenmal gesehen hat.«
    »Wenn er Sie haßt, warum hatte er dann
ein Verhältnis mit Ihnen?«
    Sie schwieg.
    Ich versuchte eine andere Taktik.
»Warum hat er Sie von Anfang an gehaßt?«
    »Das hatte nichts mit mir persönlich zu
tun. Hal will die Burning Oak. Aber nach dem Gesetz der Gütergemeinschaft wäre
mir die Ranch zugefallen. Anfangs hatte er auf die Ranch verzichtet, er hat
versucht, sich im Osten sein eigenes Leben aufzubauen. Aber dann muß er seine
Meinung geändert haben, denn seit er zurück war, hat er alles getan, um mich zu
vertreiben. Als ich dann gestand, daß ich schwanger war und daß das Kind von
ihm war, hat er mich gezwungen, die Ranch zu verlassen und zu versprechen, daß
Harlan nie etwas davon erführe.«
    »Ich verstehe immer noch nicht, warum
Sie miteinander geschlafen haben...«
    Sie unterbrach mich und fuhr mit ihrer
Erzählung fort, als ob sie sie auswendig gelernt hätte: »Als Frank anfing, nach
mir zu suchen, hatte Hal eine Heidenangst, daß alles auffliegen würde. Wenn
Harlan den Verdacht hätte, daß Hal der Vater meines Kindes wäre, würde er ihn
enterben.«
    »Wieso Verdacht? Er mußte doch wissen,
wie Sie beide zueinander

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