"Dieser Weg wird kein leichter sein,,,": Mein Leben und ich (German Edition)
brauchst das!« Das war alles. Und sofort war mir klar: Er machte das nicht, weil er mich nicht leiden konnte. Nein, gerade weil er mich mochte, wollte Stevens nicht, dass ich für einen kleinen Höhenflug meine Einstellung zum Team wegschmiss. Und um das zu verhindern, setzte er ein deutliches Signal. Und ich hatte es verstanden!
Stevens war überhaupt ein toller Trainer. Auch wenn er manchmal unberechenbar schien, war er unglaublich ehrlich. So wie man sich einen Lehrer wünscht. Da heißt es doch auch immer: Streng, aber gerecht. Als Stevens Schalke als Trainer verließ, verdrückte ich nicht nur eine Träne und dachte kurz daran, ihm nach Berlin zu folgen, zumal es für mich sportlich im Verein nicht ganz so gut lief. Aber dann setzte sich doch der Schalker in mir durch und ich blieb. Stevens ist als Trainer ein bisschen wie mein Vater gewesen. Seine Strenge und die Tatsache, dass er mir hier und da keine Beachtung schenkte, hat mich nur noch mehr angestachelt. Ich wollte ihm dann zeigen, dass ich durchaus Aufmerksamkeit verdiente – und das Schlitzohr Stevens hat das genau gemerkt.
Das ist im Übrigen der Unterschied, den junge Talente lernen müssen, wenn sie sich im Fußball durchsetzen wollen: Man muss immer an sich arbeiten, denn das Talent haben viele, aber der Wille, immer an sich zu arbeiten, ist das Entscheidende. Ich habe viele gute junge Spieler erlebt, die von der Presse und dem Trainer hoch gelobt wurden und nur noch überlegt haben, wann sie endlich im Nationalteam spielen und was sie mit dem ganzen Geld, das sie sicher demnächst verdienten, anstellen würden. Doch die meisten sind an und mit dieser Einstellung gescheitert. Ein guter Trainer bemerkt diese ersten Anflüge von Hochmut und Illusionismus und steuert dagegen. Da hatte ich mit Huub Stevens echtes Glück!
Vielleicht war der Weggang von Stevens auch der Grund, warum ich in der Folgezeit etwas »chillig« wurde. Es ist einfacher hochzukommen, als dort zu bleiben. Dass ich ein kleines Tief hatte, erkannte dann erst Jupp Heynckes. Er wusste: Wer so von der Physis lebt wie ich, um sein Spiel spielen zu können, der muss viel trainieren, um fit zu sein.
Auf den letzten Drücker
Nach meinen ersten vier Spielen im Nationalteam und auch einem Sieg und einem Unentschieden gegen Albanien und Finnland in der WM-Qualifikation 2002 hatten wir es im Spiel gegen England in der Hand. Das Hinspiel hatte das Team von Rudi Völler im Wembley-Stadion mit 1:0 durch ein Tor von Didi Hamann gewonnen. Warum sollte es also jetzt im Rückspiel anders laufen? Es hätte ja schon ein Unentschieden für die direkte Qualifikation und den Gruppensieg gereicht. Doch nachdem Carsten Jancker schon früh das 1:0 erzielt hatte, brach es über uns herein. Die englische Presse titelte später: »Die größte englische Nacht seit 1966!« Denn wir verloren gegen England 1:5. Ich spielte eine Halbzeit, kam für Christian Wörns, aber schon nach dem 1:3 durch Michael Owen in der 48. Minute war der Drops gelutscht. Die direkte Qualifikation war in weite Ferne gerückt.
Der letzte Spieltag der Qualifikationsrunde hatte es also in sich. Für mich war es ein besonderes Spiel, weil es in Gelsenkirchen in der Arena auf Schalke stattfand. Der Gegner hieß Finnland. Bei einem Sieg wären wir direkt qualifiziert, unabhängig davon, was zeitgleich die Engländer gegen die Griechen ausrichteten. Aber wir spielten nur 0:0 – alles in allem kein glückliches Spiel, denn meine Sturmkollegen Bierhoff, Klose und Neuville versiebten die besten Chancen. Frustrierend war zudem, dass die Engländer gegen die Griechen einen späten Ausgleich erzielten.
Fakt also nach dem letzten Gruppenspiel war: Wir wurden Gruppenzweiter und mussten für zwei Spiele in die Relegation gegen die Ukraine. Das tat weh. Ebenso die Tatsache, dass für mich zwar eine persönliche Erfolgsgeschichte weiterging, die Nationalmannschaft in der Presse allerdings so richtig eins auf die Mütze bekam. »Armutszeugnis« und »Rudis Rumpeltruppe« waren zwei der noch harmlosen Einschätzungen. Dabei hätten wir doch eher positive Unterstützung gebraucht. Schließlich waren wir seit 1954 immer für eine WM qualifiziert gewesen. Die Tatsache, dass das Hinspiel auswärts stattfand, war ein Hoffnungsschimmer. Denn im Rückspiel konnte man viel bewegen. Die Entscheidung, dieses Rückspiel im damaligen Dortmunder Westfalenstadion stattfinden zu lassen, war für mich als Schalker bitter, aber vollkommen richtig, denn das Dortmunder
Weitere Kostenlose Bücher