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Dieser Weg wird kein leichter sein

Dieser Weg wird kein leichter sein

Titel: Dieser Weg wird kein leichter sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Gerald und Großmann Asamoah
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Berater, meine Familie, Rudi Assauer – sie alle mussten meine gespaltene Gedankenwelt ertragen und sie mit mir besprechen. Für und wider, hin und her. Letztendlich sind es, wie so oft im Leben, die Kleinigkeiten, die den Ausschlag geben. Ich spielte für Schalke, also wollte ich nicht so viel zwischen zwei Kontinenten unterwegs sein. Das ständige Hin und Her könnte für mein Herz anstrengend sein, das war für meine Frau Linda ein Argument. Für mich dagegen war folgende Überlegung entscheidend: Wie viele Ghanaer träumen von einem deutschen Pass, der ihr Leben viel einfacher machen kann! Ich hatte die Chance dazu. Also wollte ich Deutscher werden, um für Deutschland zu spielen. Nebenbei hätte auch mein Verein die Chance, einen neuen Nationalspieler zu bekommen.
    Der bürokratische Akt gestaltete sich relativ unspektakulär. Der FC Schalke 04 machte die Termine bei der Ausländerbehörde, wobei ich natürlich einen kleinen Sympathiebonus hatte, was dazu führte, dass ich nach drei bis vier Gesprächsrunden irgendwann die Nachricht bekam, ich könne meinen deutschen Pass abholen. Anders erging es übrigens meiner älteren Schwester, die erheblich mehr Probleme hatte und auch eine längere Zeit brauchte, bis sie das Dokument in den Händen hielt.
    Können Sie sich vorstellen, dass dieses konkrete Datum der Pass­übergabe heute in Vergessenheit geraten ist? Komisch, oder? Aber dafür gibt es vermutlich eine Erklärung: Tatsächlich hatte ich mich schon sehr lange als Deutscher gefühlt. Deshalb war der Tag selbst gar nicht so wichtig. Außerdem galt ich durch meine lange Zeit, die ich schon in deutschen Vereinen Fußball gespielt hatte, als Fußballdeutscher und hatte durch meine Eltern, die so lange in Deutschland gearbeitet hatten, bereits eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung. Jedenfalls hatte ich ihn eines Morgens in der Hand, den deutschen Pass, von dem so viele Afrikaner träumen und den mein Vater heute noch nicht besitzt.
    Zwar bin ich im Herzen auch noch ein Ghanaer, aber den Pass für Ghana habe ich längst verloren. So ist es heute fast schon eine lustige Zeremonie, wenn ich in den Ferien oder in meiner freien Zeit nach Ghana reise. Ich muss für mich ein Visum in Berlin beantragen. Und wenn ich dann auf dem Flughafen von Accra gelandet bin, reihe ich mich in die Schlange vor der Pass­kontrolle ein, aber nicht in der für Einheimische, sondern in der für Ausländer. Meistens werde ich von den Zollbeamten erkannt und kann passieren. Aber das ist schon eine eigenartige Situation: Ich, der ehemalige Ghanaer und frische Deutsche Asamoah, bin plötzlich Ausländer in meinem Geburtsland.
    Aber das hatte ich ja so gewollt! Als ich damals die Entscheidung fällte, war ich 21 Jahre alt und lebte als junger Fußballer fröhlich in den Tag hinein. Die Tragweite meines Tuns wurde mir erst richtig bewusst, als ich zum ersten Spiel für Deutschland antrat und die deutschen Zuschauer mich akzeptierten. Heute wäre das vermutlich alles anders: In meinem jetzigen Alter würde ich die Dinge viel bewusster wahrnehmen, alles hätte eine viel größere Bedeutung. Aber wer weiß, wofür die Unbedarftheit damals gut war.
    Meine Eltern haben bis heute keinen deutschen Pass. Ich kann das verstehen. Denn das Ziel meines Vaters war immer, irgendwann wieder zurück nach Ghana zu gehen. Er hätte auch für seine Kinder um einen deutschen Pass kämpfen können, aber das hat ihn einfach nicht interessiert. Wie gesagt, heute hat auch meine ältere Schwester einen deutschen Pass, meine jüngere Schwester und mein jüngerer Bruder hingegen sind immer noch Ghanaer. Ausgerechnet mein jüngerer Bruder, der in Deutschland geboren ist und der, als ich nach Deutschland kam, eindeutig deutscher war als ich, hat den Sprung Richtung Schwarz-Rot-Gold bis heute nicht geschafft. Er hätte sich mit 18 Jahren dafür entscheiden können, aber vielleicht fehlte ihm das Ziel, die Perspektive, die Idee, die ihn mit Deutschland verbinden kann.
    Vielleicht fragen Sie sich insgeheim, warum sich meine Eltern nicht in meine Nationalitätenfrage einmischten. Aber man muss das verstehen. Erstens hatte mein Vater bereits registriert, dass ich für eigene Entscheidungen alt genug war und zudem die Familie in weiten Teilen über den Fußball ernährte; somit war ich so etwas wie ein finanzielles Familienoberhaupt

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