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Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)

Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)

Titel: Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Amend , Daniel Meyer
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Daniel«, sagte Mama. »Lars kann nicht für immer in unserem Gästezimmer einziehen.«
    Ich wurde so wütend auf sie, dass ich gemeine Sachen zu ihr sagte. Ich hatte ihren Satz so verstanden, dass sie es nicht erlaubte, dass Lars bei uns wohnte und wurde ziemlich fies zu ihr.
    Der ICE fuhr ein.
    Lars drückte mich, und ich musste ihm versprechen, mich bei Mama zu entschuldigen. Als der Zug verschwunden war, und ich ihm nicht mehr hinterhersehen konnte, entschuldigte ich mich. Wie ich es versprochen hatte. Ich bedankte mich auch, dass sie mich trotz Migräne abholen kam. Ich sagte: »Es tut mir leid. War nicht so gemeint. Hast du mich wieder lieb? Also, ich hab dich lieb.«
    An einem Imbiss blieben wir stehen und teilten uns eine große Portion Pommes. Dann sagte Mama: »Ich dich auch.«

39
    Ein typischer Sonntagabend. Mama und Papa saßen auf der Couch, der Fernseher lief, Sina spielte auf dem Wohnzimmerteppich, Rocky lag in seinem Lieblingssessel im Schlafzimmer und döste vor sich hin. Ich saß in meinem Zimmer und weinte. Ich hatte schon viel geweint an diesem Tag. Da ich aber die meiste Zeit für mich geblieben war, bekam es niemand mit. Wenn ich in die Küche oder aufs Klo musste, rieb ich mir schnell meine Tränen am Ärmel ab, damit kein Verdacht aufkam. Ich wollte nicht mehr bei jeder Träne zu Mama laufen. Ich wollte einfach nicht. Im Hintergrund lief mein Lied von Peter Maffay. Es begann immer wieder von vorne, weil ich das bei meinem CD-Player so eingestellt hatte. »Ich wollte nie erwachsen sein, hab immer mich zur Wehr gesetzt. Von außen wurd’ ich hart wie Stein, und doch hat man mich oft verletzt.« So viele Dinge flogen durch meinen Kopf: mein Geburtstag, meine Ex, das Monster, Erik, die Schmerzen rechts unten in meinem Bauch. Ich googelte den Begriff »menschliche Organe« und anhand der Bilder, die im Internet abgebildet waren, musste es meine Leber sein, die mir die Schmerzen bereitete. Oder der Zwölffingerdarm, der direkt neben der Leber liegt. Aber ich tippte auf die Leber, weil ich von einem Zwölffingerdarm noch nie etwas gehört hatte. Was war das überhaupt für ein komischer Name? Ich öffnete meine Facebook-Seite und wurde wieder traurig. Ich schluchzte und zitterte, und ich hörte Annas Stimme, die sagte: »Es ist okay, wenn du zu deiner Mama gehst. Hier in deinem Zuhause musst du dich nicht verstellen. Das weißt du doch, Daniel.« Ich konnte es nicht mehr länger ertragen und schlurfte auf leisen Socken ins Wohnzimmer.
    »Mama«, sagte ich und breitete schon meine Arme aus. »Ich brauche jetzt ganz dringend eine Umarmung.«
    »Was ist denn los, mein Schatz?«, sagte Mama und zog mich an sich.
    »Erik ist gestorben.«
    »Wer ist denn Erik?«
    »Ein Junge, den ich über Facebook kannte. Ich habe dort seine Geschichte verfolgt. Er saß im Rollstuhl und war auch ganz krank. Ich habe ihn bewundert, weil er so tapfer war. Jetzt ist er zu den Engeln geflogen. Er wurde nur elf Jahre alt, Mama.«
    Mama tröstete mich.
    Nach einer Weile sagte ich: »Wir haben doch nächsten Freitag den Termin im Krankenhaus, um das MRT zu machen, oder?«
    »Du hast doch gesagt, dass du das nicht machen willst.«
    »Will ich auch nicht«, flüsterte ich gegen ihren Bauch, »aber ich gehe trotzdem hin. Damit du nicht traurig bist. Du willst ja, dass ich das untersuchen lasse, oder?«
    »Ja, Daniel. Das ist wichtig.«
    »Aber eines sage ich dir: Wenn die herausfinden, dass das Blutgerinnsel in meinem Kopf gewachsen ist, bringe ich mich um.«
    »Was?«
    Mamas Augen wurden riesengroß, was lustig aussah, aber mir war nicht zum Lachen zumute.
    »Dann springe ich von einer Brücke. Mit einem Tumor im Kopf kann ich nicht auch noch fertig werden. Ich hab mit diesem bescheuerten Herz schon genug Probleme.«
    »Aber Daniel, wie kommst du denn darauf?«, fragte Mama und streichelte über meinen Kopf.
    »Habe ich im Internet gelesen. Ein Mädchen hatte erst Kopfschmerzen, dann taten ihre Augen weh, dann verlor sie Gewicht und musste sich ständig übergeben. Genauso ist es bei mir, Mama. Das arme Mädchen ist dann gestorben. Also, wenn die so einen Tumor bei mir finden, mache ich freiwillig Schluss. Dann ist es für alle endlich vorbei.«

    Später, als ich im Bett lag, kam mir eine Idee. Ich musste sofort Lars anrufen. Ich schlug ihm vor, bis zu meinem Geburtstag nicht mehr miteinander zu telefonieren und auch keine SMS mehr zu schreiben. Am Anfang klang er ein bisschen traurig und verwirrt, aber dann erklärte ich es

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