Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)
kicherte wieder, weil es noch etwas gab, was ich erzählen wollte, aber es war einfach viel zu peinlich. Dann gab ich mir einen Ruck und sagte: »Wir haben uns noch ein zweites Mal geküsst … dabei berührten sich unsere Zungenspitzen.«
»Alter Schwede, du lässt wirklich nichts mehr anbrennen.«
»Es war aber seine Idee, und als er fragte, sagte ich einfach ja , ohne lange darüber nachzudenken. War das jetzt blöd?«
»Nein, das war perfekt. Hast du alles richtig gemacht. Hast du das vorher schon mal mit einem Mädchen gemacht?«
»Nein.«
»Das war heute dein erster Zungenkuss?«
»Ja.«
»Wow! Und, wie hat es sich angefühlt?«
»So schön«, sagte ich und musste wieder kichern, weil ich an Tommy denken musste. »Wir sind ineinander verliebt. Du hattest recht. Das ist das schönste Gefühl des ganzen Universums. Wir erzählen aber keinem, dass wir jetzt zusammen sind, sondern wollen es erstmal für uns behalten. Ich erzähle es nur dir, weil du ja mein Bruder bist und wir keine Geheimnisse haben.«
»Ich bin so stolz auf dich, mein Kleiner. Das hast du gut gemacht. Was sagt deine Mutter dazu?«
»Der habe ich noch nichts davon gesagt. Mache ich auch nicht. Tommy soll mein Geheimnis bleiben. Ich freue mich schon so sehr auf morgen, wenn ich ihn wiedersehe. Wir haben vereinbart, gleich nach der ersten Stunde unsere Handynummern austauschen. Vielleicht verbringen wir auch die große Pause zusammen. Das wäre schön. Ich habe deinen Ratschlag befolgt.«
»Ach ja? Welchen denn?«
»Folge deinem Herzen.«
»O Mann, Daniel. Ich fang gleich an zu flennen, ey. Ich kann es gar nicht oft genug sagen, wie stolz ich auf dich bin. Und, hast du richtig viele Schmetterlinge im Bauch?«
»Und wie«, sagte ich und strampelte mit meinen Beinen. »Einen ganzen Schwarm.«
»Ich freue mich so für dich, das kannst du dir gar nicht vorstellen.«
»Danke. Tommy und ich wollen später, wenn ich achtzehn bin, auch zusammenziehen. Dann werde ich eine eigene Wohnung in Berlin haben, und Tommy wohnt dann bei mir. Er ist dann zwar erst sechzehn, aber er meinte heute, dass seine Eltern das bestimmt erlauben würden.«
»Hahaha.«
»Ich darf ja wohl noch träumen!«
»Du machst mich fertig heute«, sagte Lars, der sich immer noch für mich freute. Das erkannte ich an seiner Stimme, die viel strahlender klang als an den Tagen, an denen er traurig war.
»Jetzt müssen wir nur noch einen Jungen für dich suchen.«
»Lass uns für mich lieber ein Mädchen suchen, okay?«
»Aber ich suche sie aus, weil du es alleine nicht schaffst.«
»Einverstanden.«
»Lars?«
»Ja.«
»Ich habe Tommy auch ein Stück von meinem Herz geschenkt, so wie in der Geschichte, die du mir erzählt hast, weißt du noch?«
»Echt?«, fragte er überrascht, und ich antwortete: »Ja, ich habe eine Ecke aus meinem Herzen rausgerissen und es ihm gegeben. Er hat es sich ganz fest gegen sein Herz gedrückt und mir dann auch ein Stück von seinem Herzen geschenkt. Egal, was jetzt passiert, unsere Herzen sind für immer verbunden.«
40
Die Tage, an denen ich gerne zur Schule ging, waren schon lange vorbei. Selbst die halbwegs erträglichen Tage wurden immer seltener. Eigentlich saß ich dort nur noch meine Zeit ab. Der einzige Grund, der mich durchhalten ließ, war die Vorfreude auf meinen Geburtstag. Wenn ich den erst einmal hinter mich gebracht hatte, sagte ich mir, können mich alle mal am Arsch lecken!
Wir haben einen schwarzen Jungen in unserem Jahrgang – Stevie. Auf ihn haben es die anderen Kinder auch oft abgesehen. Er wird mindestens so oft gehänselt wie ich. Heute wurde er von drei Jungs als »Negerkopf« beschimpft. Sie verwendeten auch andere Ausdrücke wie »Schwarzbrot« und »Kackwurst«. Alles nur wegen seiner Hautfarbe. Es wurde so schlimm, dass er aus dem Klassenzimmer rannte, um auf der Toilette heimlich zu weinen. Stevie tat mir sehr leid, weil ich mich genau in seine Lage hineinversetzen konnte. Ich wusste, wie sich das anfühlte, und ich wurde mit ihm zusammen traurig, damit er nicht alleine traurig sein musste. Da unsere Klassenlehrerin immer noch krank in ihrem Bett lag, wurden wir während des Mittagessens von einer Ersatzlehrerin betreut. Es gab Kartoffeln. Ich hatte keinen großen Appetit und wollte nur eine einzige Kartoffel essen, aber die Kartoffel, die auf meinem Teller lag, war am Rand ganz runzlig und schwarz, also sagte ich zur Ersatzlehrerin: »Hallo Sie, meine Kartoffel ist ganz schwarz.«
Im gleichen Atemzug
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