Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)
auf die Karte.
»Hmm, lecker, selbst gemachte Spaghetti mit frisch gehobelter schwarzer Trüffel«, schwärmte Lars, aber ich fand die anderen Gäste irgendwie komisch, ganz alt und spießig, dass ich lieber wieder gehen wollte. Die Gefahr war ja nun vorüber.
»Du bist der Boss«, sagte Lars und ging wieder auf die Straße zurück. Ich blieb noch an der Tür des Restaurants stehen, bis Lars kontrolliert hatte, ob die Luft rein war. Er gab mir ein Zeichen, dann lief ich schnell zu ihm. Schon an der nächsten Ecke fanden wir einen Italiener, der mir besser gefiel.
Nachdem Lars für uns bestellt hatte, ich auf dem Klo war und sich die Aufregung wieder etwas gelegt hatte, rief ich sofort Mama an. Zuerst wollte ich wissen, ob es Sina gut ging und Mama sagte: »Ja, sie liegt neben mir der Couch und schläft.« Dann erzählte ich ihr vom Hotel, vom Mittagessen, von Tessa und dass ich fast ein Date mit ihr hatte, von Mario, den beiden Räubern und wo wir gerade saßen. Dann wollte sie mit Lars sprechen, und ich reichte ihm das Handy über den Tisch.
»Jetzt gibt’s Ärger«, lachte ich.
Lars hörte zu und nach einer Weile sagte er: »Nein, nein, nein, Debbie. Mach dir keine Sorgen. Alles okay. Ich muss auflegen. Unser Essen kommt. Schönen Abend dir, ja? Tschühüüüs.«
Lars legte mein Handy auf den Tisch und grinste. Unser Essen kam nämlich noch gar nicht. Ich überlegte, ob ich Mama wieder anrufen sollte, um ihr zu sagen, dass Lars sich nur ein Späßchen erlaubt hatte, damit der liebe Gott es nicht als Lüge zählte, aber Lars meinte, dass sei nicht nötig.
Ich konnte mich nur noch schwer konzentrieren und sagte: »Okay.« Dann kam unser Essen. Dieses Mal aber wirklich.
Zurück im Hotel tranken wir Sekt aus der Mini-Bar und spritzten die halbe Flasche aus dem Fenster, was lustig war, weil auf dem Bürgersteig viele Leute liefen. Dann setzte ich mich mit Bleistift und Block aufs Bett, um eine Karte zu zeichnen. Die brauchten wir wegen der Klingelstreiche, damit wir nicht aus Versehen den falschen Fluchtweg nahmen. Lars meinte zwar, dass wir dafür keine Karte brauchten, sondern einen schnellen Fuß, aber er hatte mal wieder keine Ahnung. Er wusste auch nicht, dass Klingelstreiche in Hotels Klopfstreiche genannt werden, weil Hotelzimmer ja keine Klingeln haben. Zum Glück hatte er mich, damit ich es ihm erklären konnte. Wir schlichen durch die langen Flure, aber als es soweit war, traute ich mich nicht mehr. Ich bekam Angst, weil Klopfstreiche verboten waren und weil man verbotene Sachen nicht tun darf. Lars sagte zwar, dass mir im Hotel nichts passieren würde, aber ich bekam dieses kribbelige Gefühl trotzdem nicht mehr aus dem Bauch. Weil ich keine Angst mehr haben wollte, ging ich schnell in unser Zimmer zurück und schloss die Tür. Ich nahm einen Schluck Sekt, um mich zu beruhigen, und sagte: »Komm, wir gehen runter in die Lobby. Nur gucken!«
Das war aufregend genug. Der Fahrstuhl ging zu, und ich schaute mich im Spiegel an.
»Na, guckst du, ob du Falten bekommst?«, lachte Lars, und ich sagte: »Bekomme ich schon. Wegen dir.«
In der Lobby war alles ruhig. Außer dem Personal an der Rezeption war niemand zu sehen. Irgendwie unheimlich. Aus der Bar kam Klaviermusik. Ganz leise. Lars legte seinen Arm um meine Schulter, und wir schauten nach, ob Udo am Klavier saß, aber außer ein paar alten Männern war die Bar leer. Wir drehten sofort wieder um.
»Wie ausgestorben das Hotel«, sagte Lars. »Nichts los. Komm, wir gucken mal ins Restaurant.«
»Okay.«
In dem Restaurant war überhaupt niemand, kein Gast, keine Bedienung, einfach niemand. Vor uns stand ein Wagen mit vielen Wein- und Whiskeyflaschen und Lars schlug vor, ihn zu klauen, aber ich sagte schnell: »Spinnst du? Ich klaue nicht.«
Klauen ist noch verbotener als Klopfstreiche zu machen, und da ich mit einem schlechten Gewissen nicht einschlafen kann, schauten wir uns noch das restliche Hotel an, was wirklich einem Palast glich, aber dann wurde ich müde und wollte wieder aufs Zimmer zurück. Wir guckten noch ein bisschen fern, und Lars kraulte mich so lange, bis meine Augen zufielen. Meine Gedanken waren bei Tessa. Dann schlief ich ein.
Der nächste Morgen war blöd, weil Lars wieder nach Berlin abreiste. Mama wartete schon am Bahnhof auf uns. Sie hatte Migräne und sah ganz blass aus. Lars fragte, ob er ihr eine Kopfschmerztablette geben solle, aber ich trat ihm gegen sein Bein, weil er nicht auf meine Frage geantwortet hatte.
»Nein,
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