Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)
Kumpels geraucht. Ich weiß noch genau, wie ich überlegt habe, was ich mit der Schachtel mache, weil ich nicht wollte, dass mein Papa die entdeckt.«
»Das hätte Ärger gegeben, oder? Also, ich würde riesigen Ärger von Mama bekommen. Darf gar nicht dran denken.«
»Mein Vater hätte mir sicher für ein paar Tage das Skateboard weggenommen, was zu der Zeit die absolute Höchststrafe für mich gewesen wäre. Das Risiko war mir viel zu hoch, und ich hab die Packung dann in einen Briefkasten geworfen.«
»Gut so.« Ich wurde immer aufgeregter.
»Sag mal, wie weit ist es denn noch?«, beschwerte sich Lars, als wir schon eine ganze Weile unterwegs waren. »Hast du überhaupt so viel Puste? Wir müssen den ganzen Weg ja auch wieder zurück.«
Mist. Daran hatte ich gar nicht gedacht. Aber das würde ich schaffen. Ich musste. Es gab keinen Weg mehr zurück. Als am Ende der Straße die beleuchtete Tankstelle auftauchte, blieb ich stehen.
»Fuck, ich habe gar kein Geld dabei.«
»Ich aber«, lachte Lars und stellte die Sauerstofftasche auf den Boden. Ich sprang nervös von links nach rechts.
»Daniel, du musst das nicht tun. Nicht, wenn du es nicht unbedingt willst.«
»Doch, doch, doch, ich will es unbedingt«, sagte ich. Lars beugte sich vor mich.
»Du musst mir nichts beweisen, hörst du? Für mich bist du mit Zigarette nicht cooler als ohne.«
»Aber was würdest du denn an meiner Stelle tun?«
»Das sage ich nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil ich dich nicht beeinflussen will. Es ist dein Leben, deine Entscheidung. Du willst doch eigene Entscheidungen treffen. Jetzt hast du die Gelegenheit dazu.«
Die Ampel sprang auf Grün, und wir überquerten die Straße. Jetzt waren es nur noch ein paar Meter. Die Tankstelle war leer. Überall Kameras. Das würde doch auffallen, dachte ich, wenn wir nur Zigaretten kauften, aber Lars griff schon nach einer Dose Fanta, was mich aufatmen ließ.
»Willst du auch was trinken?«
Ich schüttelte den Kopf. Als Lars an der Kasse stand, blieb ich am Eingang stehen, um genügend Sicherheitsabstand zum Tankstellenwärter zu bekommen, damit er mich nicht wiedererkennen konnte. Lars wedelte mit einer Packung Marlboro Lights und einem kleinen Feuerzeug, und wir gingen die Straße weiter zum Park. Lars setzte sich schon auf eine Bank, aber die Laterne leuchtete mir zu hell. Ich wollte lieber nach einem sichereren Versteck suchen. Das fanden wir hinter der Kirche. Dort gab es auch eine Bank, und ich sagte: »Perfekt.« Ich sah mich um, niemand zu sehen. Ich sah mich ein zweites Mal um. Die Luft war rein.
»Ja oder nein?«, fragte Lars.
Ich sagte: »Ja.«
Lars sagte: »Okay.«
Er zog die Plastikfolie von der Verpackung, riss das silberglänzende Papier ab, steckte sich eine Zigarette in den Mundwinkel und zündete sie an. Er nahm zwei große Züge und blies den Rauch langsam durch die Luft. Ich schaute der grauen Wolke zu, wie sie langsam in der Dunkelheit verschwand. Dann nahm ich all meinen Mut zusammen, atmete tief ein und aus und machte es ihm nach. Ich wusste ja, wie es geht. Ich wohne ja nicht auf dem Mond. Aber ich wollte es eben genauso wie Lars machen. Auch mein Rauch verschwand über mir in der Nacht. Lars wuschelte mir über den Kopf, lachte nur, und ich gab ihm die Zigarette zurück. Wir lehnten uns beide nach hinten und schauten auf die beleuchtete Kirche.
»Wenigstens werden wir hier nicht für unsere Sünden bestraft«, lachte Lars. Die Fanta stand ungeöffnet neben ihm auf der Bank. Ich hatte keinen Durst, aber es war gut zu wissen, dass etwas da war. Für den Notfall. Kalt war es nicht, aber richtig warm auch nicht. Es war so mittel. Jetzt noch ein echtes Bier und ein geiles Mädel, dachte ich, und der Abend wäre perfekt. Was für Sünden meinte Lars?
»Was für Sünden meinst du?«
»Also, wenn du das nicht weißt?«, grinste mich Lars an. »Dafür komme ich bestimmt in die Hölle, aber das halte ich aus. Der liebe Gott wird mich schon freikaufen. Da mache ich mir keine Sorgen. Geht’s dir gut?«
»Ja.«
»Was macht das Herz?«
»Schlägt.«
»Und die Lunge?«
»Atmet.«
»Bingo.«
Lars hielt seine Hand in die Luft, und ich schlug mit voller Wucht ein. Mit ihm konnte man wirklich jede Menge erleben. Ich sah ihm zu, wie er an der Zigarette zog. Die Glut erinnerte mich plötzlich an eine böse Geschichte, die ich einmal gehört hatte und die von der Hölle und dem Fegefeuer und vom Teufel handelte, und ich zuckte innerlich kurz zusammen. Ich wollte Lars
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