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Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)

Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)

Titel: Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Amend , Daniel Meyer
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kam es mir immer noch wie ein Traum vor. Womit hatte ich das nur verdient? Was hatte ich gesagt oder getan, dass Lars ausgerechnet mit mir seine Zeit verbrachte? Warum nicht ein anderes Kind? Warum ich? Er gab mir den Block nach einigen Wimpernschlägen wieder zurück und nickte zufrieden. Ich war so aufgedreht, dass ich mit der Liste in der Hand vom Bett sprang und schon halb aus der Tür auf dem Weg ins Wohnzimmer war.
    »Daniel, Daniel«, rief mir Lars hastig hinterher. »Komm sofort zurück!«
    Ich bremste ab und rutschte mit meinen Socken fast bis zum gegenüberliegenden Bad. Mama und Papa schauten mich an, als ob ich nicht mehr alle Tassen im Schrank hätte, und ich schlidderte den gleichen Weg zurück zu Lars, sprang aufs Bett und lies mich in seine Arme fallen. Ich war völlig außer Puste. Als ich mich etwas beruhigt hatte, fragte Lars: »Fällt dir irgendwas an deiner Liste auf?«
    Ich sah sie mir wieder an und sagte: »Nein.«
    »Vielleicht stehen ja ein oder zwei Dinge darauf, die deine Mutter nicht unbedingt sehen sollte. Hmm, was meinst du?«
    »Scheiße, stimmt«, sagte ich und war total überfordert mit der Situation, weil das alles so neu für mich war: Geheimnisse, Abenteuer, Weiber … mir wurde schwindelig von der Vorstellung, all das mit Lars erleben zu können, und ich merkte, wie mir kalt und meine Lippen lila wurden.
    »Ganz ruhig, mein Kleiner«, sagte Lars. »Alles wird gut, aber komm mal wieder klar. Unsere Reise hat noch nicht mal begonnen. Und wenn du jetzt schon durchdrehst und schlappmachst, wie soll das erst werden, wenn plötzlich ein heißes Mädel vor dir steht und dich ranlässt?«
    Ich legte mich neben Lars, um zu kuscheln, ein wenig auszuruhen und zu träumen. Mir fiel ein Satz ein, den mir eine Krankenschwester gesagt hatte, als es mir sehr schlechtging und niemand wusste, ob ich die Nacht überstehe: »Wer keinen Mut hat zu träumen, kann nachts die Sterne nicht sehen«. Ich weiß nicht, warum ich ausgerechnet jetzt daran dachte. Vielleicht weil es draußen gerade dunkel wurde. Vielleicht weil man durchs Fenster schon die Sterne sehen konnte. Vielleicht weil mich gerade mein Mut verließ. Ich glaube, ich bekam so etwas wie Abenteuerlampenfieber mit dem kribbeligsten Bauchgrummeln, das man sich nur vorstellen konnte.
    »Komm«, sagte ich entschlossen, »zieh dich an!«
    »Ah ja?«
    »Ja, wir gehen raus unser erstes Abenteuer erleben! Ich verstecke die Liste in meinem Zimmer und dann können wir nachher, wenn wir wieder zurück sind, gleich den ersten Punkt durchstreichen.«
    Lars schaute mich mit großen Augen an. Damit hatte er nicht gerechnet. Das konnte ich genau sehen. Ha! Ich flüsterte ihm zu: »Kannst du Mama fragen, ob wir noch raus dürfen? Weil es ja schon spät ist. Bei mir erlaubt sie es bestimmt nicht.«
    Lars nickte, und ich zischte ab.
    Es war schon nach 20 Uhr, als wir aus dem Haus traten und die dunkle Landstraße stadteinwärts entlangliefen. Ich kannte jedes Staubkorn auf dieser Strecke, weil ich dort täglich mit dem Schulbus vorbeikam, aber in diesem Moment fühlte ich mich wie ein Fremder an einem fremden Ort. Lars trug seine schwarze Lederjacke, ich meinen schwarzen Mantel, und als er cool auf den Boden spuckte, spuckte ich auch auf den Boden. Ich fühlte mich lebendig und frei und falls nichts dazwischenkommen würde, hatte ich noch genug Kraft für zwei Stunden. Nach der ersten Kreuzung fragte Lars ungeduldig: »Willst du’s mir freiwillig sagen, oder muss ich raten?«
    »Was denn sagen?«
    »Wohin wir gehen.«
    »Ach so«, winkte ich lässig ab. »Wir gehen zur Tankstelle.«
    »Aha«, grinste Lars.
    »Zigaretten kaufen.«
    »Ist schon klar.«
    Ich versuchte cool zu bleiben, aber mir ging ganz schön der Kackstift. Zum Glück lag die Tankstelle nicht gerade um die Ecke und mir blieb noch genug Zeit, um nachzudenken. Aber je länger ich mir darüber Gedanken machte, desto unsicherer wurde ich.
    »Hast du schon mal geraucht?«, fragte ich.
    »Ja, mit zwölf oder dreizehn habe ich meine erste Kippe probiert. Ich hatte ein paar Kumpels, die schon etwas älter waren als ich und mit denen ich immer Skateboard gefahren bin. Die haben alle geraucht, und irgendwann hab ich auch eine probiert.«
    »Und, wie war das so?«
    »Ganz ehrlich: Gar nicht mein Ding.«
    »Das stinkt, ne?«
    »Ja, und ich hatte stundenlang diesen ekligen Geschmack im Mund und an den Fingern. Ich hab mir auch eine eigene Schachtel Lucky’s gekauft, aber die meisten Kippen haben meine

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