Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)

Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)

Titel: Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Amend , Daniel Meyer
Vom Netzwerk:
der Zunge brannte. Irgendwie hatte ich kein gutes Gefühl dabei.
    Später gab es Ärger mit Papa. Ich wollte auf der Wii spielen und er Fußball gucken. Wir maulten uns beide an, und er gewann. Also lief Fußball. Deutschland spielte gegen Irland. Deutschland gewann mit 6:1. Papa war also Deutschland und ich Irland. Über Irland weiß ich aus der Werbung, dass dort viele Kühe auf saftigen grünen Wiesen weiden. Mama, Lars und ich saßen am Wohnzimmertisch, Papa auf dem Sofa. Mama machte mir wieder Vorwürfe, aber ich hatte vergessen, worum es sich dieses Mal drehte. Als ich nachfragte, begann sie zu schluchzen, und so sehr ich mich auch bemühte, es fiel mir einfach nicht ein, warum sie böse auf mich war. Alles, was sie sagte, war: »Ja, ja«.
    Sie stand auf und verschwand im Schlafzimmer. Lars gab mir mit seinen Augen ein Zeichen, und ich rannte hinter ihr her.
    »Mama, ich hab dich lieb«, sagte ich drei Mal hintereinander, aber als ich sie umarmen wollte, drehte sie sich weg und schnäuzte in ein Taschentusch.
    Dann spielten wir zu viert Skip Bo. Ich konnte mich kaum konzentrieren und machte lauter Fehler, und Papa musste mich bei jedem Zug korrigieren. Er saß mir gegenüber und jedes Mal, wenn er etwas sagte, fühlte ich mich schlechter. Weil ich das nicht mehr fühlen wollte, nannte ich ihn zuerst eine Lusche und wenig später einen Honk, woraufhin er wütend seine Karten auf den Tisch warf.
    »Ich lass mir von dir nicht länger auf der Nase herumtanzen. Ich bin doch nicht der Depp der Nation. Nicht mit mir, mein Lieber. Nicht mit mir!«
    Mama fing wieder an zu weinen. Ich solle endlich mehr Dankbarkeit zeigen für die Dinge, die Papa für mich tue. Ich dachte nach. Hatte sie das gestern nicht auch schon gesagt? Dann wurde es noch schlimmer, weil ihre Tränen auf den Tisch tropften. Ich verstand nicht mehr alles, was sie jetzt sagte, da ihre Stimme immer zittriger wurde, aber es klang ungefähr so: »… habe so viele Ängste, kann nicht schlafen, der ganze Stress mit den Krankenhäusern und Versicherungen, und wenn ich auf Arbeit bin und mein Handy klingelt, zucke ich jedes Mal zusammen und bete, dass es nicht DIE Nachricht ist. Seit du auf der Welt bist, lebe ich mit diesen Ängsten, und du kannst dir keine Vorstellung machen, wie schlimm das für mich ist und …«
    Es ging noch weiter, aber ich hörte nicht mehr zu. Lars saß die ganze Zeit auf dem Stuhl zwischen Mama und mir und hatte ganz unglückliche Augen. Papa lag auf dem Sofa und schob sich Colafläschchen rein. Sie befinden sich in einer großen Box unter dem Wohnzimmertisch. Das ist ziemlich praktisch, weil man dann nicht extra aufstehen und in die Küche gehen muss. Ich war ein bisschen ratlos, was ich tun sollte, weil ich immer noch nicht herausgefunden hatte, warum Mama so böse auf mich war. Weil ich irgendwas tun musste, stand ich auf und rannte in mein Zimmer. Lars kam sofort hinterher und legte sich zu mir aufs Hochbett. Ich bat ihn, die Tür abzuschließen, damit von denen keiner reinkommen konnte. Lars nickte, blieb anschließend aber unten und legte sich aufs Sofa. Er sagte, dass es oben zu zweit zu wacklig wäre. Das stimmte, weil Mama noch keine Zeit gefunden hatte, das Hochbett mit den Schrauben an der Wand zu befestigen.
    »Morgen haben wir viel vor«, lachte Lars.
    »Okay«, sagte ich.
    »Wir gehen shoppen, trinken Fanta, essen Pizza, hängen rum, quatschen Mädchen an, können ins Kino gehen, alles worauf du Bock hast. Na, was sagst du?«
    »Weiß nicht.«
    »Das können wir ja spontan entscheiden, hmm?«
    Ich antwortete nicht gleich darauf, weil mir etwas anderes durch den Kopf ging. Ich wollte Martin nicht mehr Papa nennen.
    »Du?«
    »Ja?«
    »Wieso muss ich zu Martin Papa sagen?«
    »Musst du das denn?«, fragte Lars.
    Ich sah von oben zu ihm herunter. Er warf meinen Softball in die Luft und fing ihn wieder.
    »Weiß nicht«, überlegte ich. »Ich nenne ihn Papa, weil er mit Mama zusammen ist und weil ich ihn lieb habe und weil er immer da ist und uns nicht im Stich lässt.«
    »Na, also.«
    »Aber manchmal ist er so gemein zu mir.«
    »Du bist manchmal auch nicht gerade nett zu ihm.«
    »Trotzdem.«
    »Soll ich dir mal was über meinen Papa verraten?«
    »War er auch gemein zu dir?«, wollte ich wissen und kuschelte mich an Muh.
    »Nein, aber ich zu ihm.«
    »Echt?«
    »Ja, und ich muss auch heute noch oft daran denken. Soll ich’s dir erzählen?«
    »Au ja.«
    »Meine Eltern haben sich scheiden lassen, als ich in der

Weitere Kostenlose Bücher