Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)
die Hände vor’s Gesicht. Unsere Getränke kamen, und ich überlegte, welchen Ratschlag ich meinem großen Bruder geben könnte.
Ich sagte: »Weißt du, wenn du nicht fragst, wird die Antwort immer nein heißen. Immer!«
Lars überlegte einen Moment. Dann nickte er und sagte: »Du hast ja so recht.«
»Verstehst du jetzt, warum ich immer so viele Fragen stelle?«
»Ich glaube schon. Du brauchst jetzt eine Antwort, egal, wie sie ausfällt.«
»Ja, weil ich es wissen will. Ich höre lieber ein klares NEIN, als mit dieser dämlichen Ungewissheit einschlafen zu müssen. Davon bekommt man nur Kopfschmerzen.«
Lars lachte und sagte: »Amen.«
»Und was ist aus Anna geworden?«
»Ich habe ihr auf Facebook geschrieben, sie hat mich als Freund hinzugefügt und seitdem schreiben wir uns, wann wir uns treffen.«
»Und wo ist das Problem?«
»Na ja, sie schreibt, dass sie mit einer Grippe im Bett liegt, und ich überlege jetzt, ob sie wirklich krank ist oder mir nur höflich mitteilen will, dass sie kein Interesse hat. Ich meine, wie lange kann man schon eine Grippe haben? Das kommt mir ein bisschen eigenartig vor, hmm?«
»Ich glaube, sie sagt die Wahrheit und ist wirklich krank.«
»Warten wir mal ab. Nächste Woche bekommst du ein Update.«
»Versprochen?«
»Versprochen.«
Ich trank einen Schluck Cola und versuchte mich an die nächste Frage in meinem Kopf zu erinnern. Ich brauchte einen Moment, um sie zu finden. Aber dann war sie da.
»Warst du schon mal in einen Jungen verliebt?«
»Nein«, sagte Lars sofort.
»Bist du dir sicher?«
»Ja.«
»Hmm«, sagte ich etwas enttäuscht, denn ich war schon dreimal in Jungs verliebt gewesen.
»Und du?«
»Ja, war ich.«
»Echt? Wie cool. Erzähl mal.«
»Mein erster Freund hieß Jason und war der Sohn der besten Freundin meiner Mama. Wir haben uns immer draußen im Hof getroffen, gespielt und sind dann händchenhaltend durch den Wald gelaufen.«
Lars lächelte: »Und habt ihr euch geküsst?«
»Nein, ist ja eklig.«
»Vielleicht wart ihr dann einfach nur gute Kumpels?«
Ich zuckte mit den Schultern, weil ich darauf keine Antwort wusste und sagte: »Und in einen Jungen aus meiner Schule war ich noch verliebt – und in dich.«
Lars verschluckte sich fast an seinem Sprudelwasser, was total lustig aussah.
Er fing an zu husten: »In mich? Wie kommst du denn darauf?«
»Weil ich dich lieb habe«, sagte ich.
»Es gibt schon einen Unterschied zwischen verliebt sein und jemanden lieb haben.«
»Aber wie erkennt man den?«
»Man fühlt das in seinem Bauch und in seinem Herzen«, sagte Lars. »Wenn du verliebt bist, dann willst du jede Sekunde des Tages mit dieser Person verbringen.«
»Aber das will ich doch mit dir«, sagte ich.
»Okay, deine Mama hast du lieb, oder?«
»Ja.«
»Deinen Papa auch.«
»Ja.«
»Und Ester aus dem Hospiz auch.«
»Geht so. Sie ist oft sehr streng.«
»Hahaha. Aber Oma Wagner, eure Nachbarin, hast du lieb?«
»Ja.«
»Und mich auch.«
»Ja.«
»Du hast uns lieb, aber du bist in keinen von uns verliebt. Mit keinem von uns willst du nackt unter der Decke kuscheln, oder?«
Ich verzog mein Gesicht und quietschte: »Ihhhh, ist ja peinlich.«
»Siehst du!«
»Aber wie merkt man das, ob man in jemanden verliebt ist?«
»Wenn dein Herz ganz schnell klopft, du nichts mehr essen kannst, weil du nur noch an diesen einen ganz besonderen Menschen denkst. Ich garantiere dir, dass du es fühlen wirst, wenn diese Person vor dir steht. Ob Junge oder Mädchen, ist völlig egal.«
»Okay, ich bin also nicht schwul?«
»Das weiß ich nicht, aber wäre das denn schlimm für dich?«
»Nein«, sagte ich.
»Woran denkst du, wenn du abends unter der Decke an dir rumspielst?«
Ich beugte mich vor, damit uns keiner belauschen konnte. Ich hielt meine Hand dicht an meinen Mund und kicherte: »Große Hupen und geile Ärsche.«
Lars lachte ganz laut und sagte: »Na, wenn das so ist, bist du ganz sicher nicht schwul.«
Ich war beruhigt, aber nur ein bisschen, denn richtig verstanden hatte ich das mit dem Verliebtsein noch nicht. Ich war aber froh, dass ich alle Fragen gestellt hatte, die durch meinen Kopf schwirrten. Ich lutschte meine Zitronen aus und fühlte mich ziemlich gut.
Lars bezahlte die Rechnung und sagte: »Und jetzt gehen wir dir erst mal ein gutes Parfüm kaufen.«
»Brauche ich das?«, fragte ich.
»Hast du heute Morgen geduscht?«, fragte Lars zurück.
»Nein.«
»Dann brauchst du es auf jeden Fall. Du musst gut
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