Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)
nicht. Ich war auf einmal sehr verwirrt. »Hast du dein Inhalationsgerät denn dabei? Also, bei uns im Gästezimmer, meine ich?«
»Hör mir doch erst mal zu«, grinste Lars und erzählte weiter. »Versuch dir das mal genau vorzustellen: Über zwanzig Jahre habe ich dieses Medikament gegen Asthma genommen, bis ich ein Mädchen kennenlernte, das zu mir sagte: Wirf diese Chemie, die nur Gift für deinen Körper ist, in den Mülleimer und lass mich deine Medizin sein. «
Ich hörte mit weit aufgeschlagenen Augen und offenem Mund zu.
»Wow!«, sagte ich. »Ist das wirklich passiert?«
»Dieses Mädchen wurde meine Freundin für viele Jahre.«
»Deine feste Freundin?«
»Ja, meine feste Freundin. Mit allem Drum und Dran.«
»Und warum ist sie es nicht mehr?«, fragte ich.
»Das ist eine lange Geschichte, aber wir haben uns heute immer noch lieb, sind aber nicht mehr ineinander verliebt. Den Unterschied habe ich dir schon erklärt. Erinnerst du dich?«
»Kann sein.«
»Du siehst also: Die Liebe kann alles verändern. Sie hält uns am Leben, weil sie die stärkste Kraft im ganzen Universum ist.«
»Wenn das so ist«, holte ich tief Luft, »dann habe ich das Gefühl, dass das ganze Universum gegen mich ist. Es lässt mich einfach im Stich.«
»Warum denkst du das?«, fragte Lars, der jetzt seine Füße aus dem Auto streckte.
»So halt«, sagte ich leise. »Ich meine, wann passiert denn endlich mal was? Ich kann nicht ewig warten. Alle wissen das und trotzdem tun sie immer so gestresst. Und ich sitze dann da, in meinem Zimmer, ganz alleine, und kann nichts dagegen tun.«
»Ja, ich weiß, was du meinst. Das ist superscheiße.«
»Die Tage verpuffen einfach. Ich gehe zur Schule. Mama geht zur Arbeit. Ich gehe ins Hospiz. Mama bringt mich ins Krankenhaus. Dann muss ich ins Bett. Und am nächsten Morgen fängt alles von vorne an. Nur es ändert sich nie etwas. Ich möchte auch so ein Mädchen finden, das Krankheiten heilen kann. Du kennst das schon, Mario auch, aber ich nicht. Wie fühlt sich das an, wenn man sein Herz verschenkt und dafür ein anderes bekommt? Niemand kann mir das erklären. Ich muss immer nur ins Bett.«
Lars holte die Tüte vom Kiosk nach vorne und sagte: »Ach Daniel, das Leben kann ein echter Motherfucker sein. Ganz ehrlich, ich habe auch keine Antworten auf diese Fragen. Man sollte einfach seinem Herzen folgen und abwarten, wohin es einen führt. Einen besseren Weg kenne ich auch nicht.«
Wenn das Leben und die Liebe so wichtig sind, fragte ich mich, warum sind sie beide dann so zerbrechlich? Warum hält die Liebe nicht für immer, wenn sie angeblich so viel Kraft besitzt? Und warum ist mein Herz so zerbrechlich? Bei jedem Stich fürchte ich mich und denke: Ist es jetzt soweit? Falle ich, wenn ich aus dem Auto aussteige, einfach um und wache nie mehr auf? Niemand kann meine Ängste nachvollziehen, der nicht selbst ein krankes Herz hat.
»Weißt du, Bruderherz«, sagte ich zu Lars, »ich glaube, die Liebe muss nicht perfekt sein, sondern echt. Darauf kommt es an.«
»Das hast du schön gesagt.«
»Stimmt ja auch.«
»Eigentlich wollten wir heute Party machen«, sagte Lars und schob sich ein paar Chips rein. »Bist du jetzt enttäuscht?«
»Wieso denn?«, lachte ich und fischte ihm die Tüte aus den Händen. »War doch ein geiler Abend. Willst du Fanta oder lieber Sprite?«
»Sprite.«
»Ich meine, weil wir zusammen sind.«
Lars lächelte und sagte: »Wer braucht da schon Mädchen?«
»Ehrlich mal«, sagte ich, dachte aber im nächsten Moment schon wieder an diese heiße blonde Schnitte, die so oft an seine Pinnwand schrieb. »Du, wer ist eigentlich Tamtam?«
Lars schaute mich überrascht an und sagte knapp: »Eine gute Freundin.«
»Warst du schon mit ihr in der Kiste?«
»Um Gottes willen!«, fing er an zu grölen. »Nee, Tamtam ist wirklich nur eine gute Freundin, eher wie eine Schwester. Da ist nichts mit in die Kiste steigen. Bäh!«
»Darf ich sie adden?«, fragte ich und setzte meinen Hundebabyblick auf. »Du hast ja mal gesagt, dass deine Freunde auch meine Freunde sind. Und du hast ’ne Menge Freunde auf Facebook. Also habe ich mir überlegt, dass du mir ruhig ein paar davon abgeben könntest. Also, darf ich?«
»Okay, ich verkaufe sie dir.«
»Echt?«
»Ja, klar«, sagte Lars und öffnete seine Sprite. Wie viel ist sie dir denn wert?«
Ich überlegte, wie er das meinte.
»Morgen früh bekomme ich drei Euro von Mama für Süßigkeiten. Die kannst du
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