Dieses heiß ersehnte Glueck
mich immer lieben, weil ich seine erste Liebe gewesen wäre; aber er müsse tun, was sein Hochzeitsgelübde von ihm verlange, nämlich, mit dir verheiratet zu bleiben!«
Leah stand auf. »Diese Standfords sind doch wirklich reizende Leute, nicht wahr? Sie halten sich strikt an ihr Ehrgefühl, auch wenn es ihnen so etwas Widerwärtiges aufbürdet wie eine Ehe mit — mit einer Schlampe, die aus dem Sumpf kam, sich einem von ihnen an den Hals warf und ihn zwang, sie zu heiraten. Aber natürlich werden sie ein bißchen dafür entschädigt. Frauen aus niedrigem Stande machen sich gut als Farmarbeiterinnen und Bettgenossinnen, und wenn die Schlampe Schwierigkeiten bekommt, weil sie einen Stanford beschützen will, dann kann man sie ja zu Hause verstecken und sie dort einsperren, damit sie putzen und kochen und nachts das Bett warm halten kann. Frauen aus der Familie Simmons lassen sich das gern gefallen!«
»Leah«, sagte Kim mit einem Stirnrunzeln, »das mag alles wahr sein; aber als Wesley mir sagte, daß er die Ehe mit dir aufrechterhalten würde, spürte ich, daß er bei dir bleiben wollte und nicht mußte. Wesley kann unglaublich stur sein, und er wird nie etwas tun, was er nicht tun möchte.«
»Oh, natürlich wollte er mit mir verheiratet bleiben«, sagte Leah grimmig. »Wo nähme er denn sonst eine Putzfrau her, die mit ihm im Bett herumturnt? Er hat mich ein einziges Mal in die Stadt mitgenommen, um mich den Leuten vorzustellen; doch seither durfte ich mich nie mehr in der Öffentlichkeit zeigen. Er will sich doch heute abend nicht mit so einer Frau wie mir — blamieren!«
Kim blickte Leah mit gefurchter Stirn an. »Ich verstehe das nicht. Ich dachte, du wolltest nicht in die Stadt gehen.«
»Zunächst wollte ich das auch nicht; doch seit zwei Wochen predige ich Wes, daß ich mich wieder mal in der Stadt sehen lassen müßte. Wesley aber schützte immer neue Gründe vor, weshalb ich zu Hause bleiben sollte. Nun hat er mir sogar ausdrücklich verboten, heute abend zum Tanzen zu gehen.«
»Und ich hoffte, du würdest mitkommen«, sagte Kim. »Ich habe dir sogar etwas mitgebracht, das du heute abend tragen solltest.« Sie zog ein kleines, in Stoff eingewickeltes Päckchen aus der Tasche. »Ich dachte, das müßte gut zu deinem grünen Kleid passen.«
Leah löste den Knoten, faltete das Seidentuch auseinander und betrachtete die Brosche aus Goldfiligran, die darin eingewickelt gewesen war. Es war ein Medaillon — das auf Elfenbein gemalte Miniaturbild einer Frau.
»Wer ist das?« flüsterete Leah.
»Ich weiß es nicht. Es scheint schon sehr alt zu sein, nicht wahr? Und das grüne Kleid auf dem Porträt hat die gleiche Farbe wie deines. Ich wünschte mir so sehr, daß du mitgehen und das Medaillon tragen würdest.«
»Ich gehe mit«, sagte Leah da plötzlich zu ihrer eigenen Verwunderung. »Wesley Stanford mag zwar glauben, daß er mich verstecken kann; doch da irrt er sich! Ich werde nicht den Rest meines Lebens in diesen vier Wänden verbringen und mich selbst bedauern. Ich habe keinen Anteil an diesen Morden; und meinetwegen kann diese Frau bis zum Jüngsten Tag das Gegenteil erzählen — wahr wird es dadurch dennoch nicht!«
»Ich bin froh, daß du so darüber denkst; aber wenn Wesley sagt, du darfst nicht hingehen. . . « Kims Miene hellte sich auf. »Aber wenn du weinst und ihm sagst, du würdest sterbenskrank, wenn du nicht zum Ball darfst, wird er dich bestimmt ziehen lassen! Und dann wäre es kein Ungehorsam! Oder vielleicht fällst du mal in Ohnmacht? Wesley mag das gern, und. . . «
Leah brachte sie mit einem vorwurfsvollen Blick zum Schweigen. »Ich werde ihn nicht bitten, und ohnmächtig werde ich schon gar nicht. Nein, erst schicke ich Wesley aus dem Haus, und dann gehe ich zum Ball. Ich kann es kaum erwarten, sein Gesicht zu sehen, wenn ich dort auftauche.«
»Ich ebenfalls nicht«, meinte Kim grimmig. »Ich glaube, ich würde tot umfallen, wenn mir jemand so grob käme wie Wesley dir.«
»Das ist es wert, wenn ich diesem arroganten Mann beweisen kann, daß ich mich nicht zu Hause einsperren lasse, als wäre ich ein eitriger Finger, den man nicht vorzeigen kann. Und du Kim, wirst mir dabei helfen!«
Kim wurde ganz blaß. »Nein, Leah. Ich habe Angst vor Wesley.«
»Ich dachte, er wäre so gütig und rücksichtsvoll.«
»Nur, wenn er seinen Willen bekommt. Wirklich, Leah, ich sehe mich außerstande, dir dabei zu helfen.«
Leah setzte sich wieder zu Kim an den Tisch. »Du brauchst ihm
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