Dieses heiß ersehnte Glueck
gleich nach der Trauung wieder verlassen hat, glaubt sie immer noch, die Sonne ginge mit diesem Mann auf und wieder unter. Ich hoffe nur. . .«
»Du hoffst — was?« fragte Clay.
»Wesley ist Travis so ähnlich; wenn sich einer von den beiden etwas in den Kopf gesetzt hat, kannst du ihn nur schwerlich davon abbringen.«
»Und wovon willst du ihn abbringen?«
»Von Kimberly«, erwiderte Nicole.
Clay schnaubte verächtlich. »Wesley sollte dem Herrgott dafür danken, daß er ihn vor dieser Frau bewahrt hat! Kimberly erwartet, daß man ihr die Welt vor die Füße legt, und leider werden ihre Erwartungen auch meistens erfüllt«, sagte Clay mit einem leisen Lachen. »Wes ist kein Dummkopf; und wenn er erst einmal ein paar Wochen mit so einer Schönheit wie Leah verbracht hat, kann er sich vielleicht gar nicht mehr an Kimberlys Namen erinnern.«
Nicole hatte ihre eigenen Vorstellungen von der Dummheit der Männer, wenn es um eine hübsche Larve ging;
doch sie sagte nichts und beugte sich wieder über ihre Näharbeit.
Es war in diesem Winter, als die Arbeit auf der Plantage gemächlicher und beschaulicher wurde, daß Leah das Weben entdeckte. Als Nicole ihr die Weberei zeigte, wollte Leah sie gar nicht mehr aufgeben. Die herrlichen Tücher, die Decken, die unter den Händen der Frauen Form annahmen, die hin- und herfliegenden Weberschiffchen, die Pedale, die so reibungslos ineinandergriffen — das alles faszinierte Leah.
»Möchten Sie sich mal an einen Webstuhl setzen?« fragte eine große blonde Frau, die ihr von Nicole als Janie Langston vorgestellt worden war.
»Ich weiß nicht, ob ich mit so einem Gerät zurechtkäme«, meinte Leah zaudernd. Da schienen Tausende von Fäden am Webrahmen durch Schlingen und Ketten zu laufen, geführt von einem Metallkamm, der an einer hölzernen Lade befestigt war.
»Würden Sie es trotzdem mal versuchen?« fragte Janie, als Leah ehrfürchtig mit der Hand über ein gewebtes Stück Tuch fuhr.
»Oh, ja, gern«, antwortete Leah.
Nicole führte Leah auch noch in die anderen Betriebe der Plantage; aber Leah war nicht recht bei der Sache, weil sie in Gedanken immer noch bei den Stoffen war, die sie in der Weberei gesehen hatte.
»Glaubst du wirklich, ich könnte auch so etwas zustande bringen?« fragte Leah, obwohl sie gerade die Milchkühe besichtigten. Sie hatte Kühe gemolken, seit sie gehen konnte, und sie interessierte sich weder für Rinder noch für die Molkerei. Aber die Vorstellung, daß sie so etwas Schönes schaffen könnte wie gewebte Stoffe, erfüllte sie mit Begeisterung.
»Ja, Leah, das glaube ich. Würdest du jetzt gern noch einmal mit mir in die Weberei gehen?«
Leahs leuchtende Augen waren Antwort genug.
In den nächsten Monaten sah man Leah nur noch an Janies Seite, die ihr alles beibrachte, was zu ihrem Metier gehörte: die Aufzucht und Pflege der Schafe, das Scheren, das Färben und Spinnen, das Einrichten eines Webstuhls und endlich das Weben selbst. Und Leah war mit einem Eifer dabei, als wäre sie schon mit einem Webschiffchen auf die Welt gekommen.
Abends saß sie dann in ihrem Zimmer hinter dem Spinnrad, und das Garn, das sie spann, war ebenmäßig und sehr fein. Am Tage setzte sie ihren Schemel vor die Webhelfen und zog nach Janies Musterzeichnungen die Fäden durch die Weblitzen, ohne dabei einen Fehler zu machen oder die Geduld zu verlieren. Wenn sie webte, schob sie das Schiffchen schnurgerade durch die Fäden und brachte den Schlegel mit großer Kraft zurück.
Im Januar sagte Janie, es wäre an der Zeit, daß sie ihre eigenen Muster entwerfen sollte.
»Aber ich kann doch nicht lesen«, sagte Leah.
»Das können meine Weberinnen auch nicht. Erst einmal müssen Sie lernen, Muster zu zeichnen.«
In den nächsten Wochen fand Nicole sie ein paarmal schlafend an ihrem Tisch, den Kopf auf die Zeichenpapiere gelegt, auf komplizierten Skizzen und Webtabellen. Sie hatte sich die Webelitzen aufgezeichnet, um zu prüfen, ob ihre Mustereinteilung auch stimmte, und daneben standen Namen wie »doppeltes Wagenrad«, »Velvetrose«, »Schneckengang« und »Rad mit Stern«.
Nicole weckte sie und half ihr ins Bett, und am Morgen bat Clay Leah, in sein Büro zu kommen.
»Ich dachte mir, daß du so etwas gern haben möchtest«, sagte Clay und legte ihr ein großes, in blaues Leder gebundenes Buch auf den Tisch.
»Aber ich kann doch nicht. . .«, begann Leah.
»Mach es doch erst mal auf.«
Sie sah, daß die Seiten leer waren, und blickte ratlos zu ihm
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