Dieses heiß ersehnte Glueck
Fluß fand. Travis sorgte dafür, daß es ein würdiges Begräbnis wurde. Zum erstenmal, seit sie Wesley geheiratet hatte, sah Leah bei diesem Anlaß ihre Brüder und Schwestern wieder. Sie hatten alle zugenommen, waren frei von Beulen und Blutergüssen, und klammerten sich an die Hände der Leute, die sie in ihr Haus genommen hatten. Sie betrachteten Leah mit großen, staunenden Augen und waren sich nicht mal mehr sicher, wen sie vor sich hatten. Danach zogen sie mit ihren neuen Familien wieder ab. Leah vergoß Freudentränen, weil sie alle so glücklich zu sein schienen.
Einmal sah Leah vom Sarg ihres Vaters auf und direkt in die Augen einer schönen jungen Frau. Doch ehe Leah sich an ihr sattsehen konnte, gab ihr Regan heimlich einen Stoß mit dem Ellenbogen, so daß Leah den Blick von dieser Schönheit abwandte. Als sie später wieder dorthin sah, wo die Frau gestanden hatte, war sie verschwunden.
»Wer war das?« erkundigte Leah sich nach der Trauerfeier.
»Kimberly Shaw«, erwiderte Regan knapp.
Das ist die Frau, die Wesley heiraten sollte, dachte Leah nicht ohne Selbstgefälligkeit. Sie hätte ihn vielleicht gern haben wollen, doch sie, Leah, hatte ihn bekommen!
Nachdem Leah diese Frau gesehen hatte, beschloß sie, noch härter an sich zu arbeiten, damit Wesley sich über sie freuen konnte, wenn er im Frühjahr zurückkäme.
Leah setzte ihre Tasse graziös und geräuschlos ab, als habe sie schon immer gewußt, wie man sich bei Tisch benehmen mußte. Sie beugte sich zu Travis hinüber und lächelte liebenswürdig. »Und du glaubst, diese neue Baumwollmaschine wird dir helfen, die Produktion zu beschleunigen? Befürchtest du nicht, daß der Baumwollmarkt genauso zusammenbrechen könnte wie vorher der Markt für Tabak?«
Regan und Nicole lehnten sich in ihren Sesseln zurück und beobachteten voller Stolz ihre Schutzbefohlene. Sie hatten Monate gebraucht, um dieses Ergebnis zu erzielen, doch offensichtlich bestand Leah jeden Test. Sie hatten nie versucht, Leah vorzuschreiben, worüber sie sprechen sollte, sondern hatten nur ihre Aussprache und ihre Wortwahl verbessert. So nahmen sie nun überrascht zur Kenntnis, daß Leah sich hauptsächlich für die Landwirtschaft interessierte. Natürlich hatte Leah nie etwas gelesen — sie hatten noch gar keine Zeit gehabt, ihr Unterricht im Lesen und Schreiben zu geben —, und so redete Leah über ein Thema, das sie verstand: über die Landwirtschaft.
Und Travis verschlang geradezu ihre Worte, stellte Regan mit einigem Befremden fest. Zuweilen, wenn sie mit ihm über Haushaltsprobleme sprach, sah sie ihn die Augen verdrehen oder zerstreut zur Decke blicken. Aber als Leah ihn nun nach dem Zustand seiner geliebten Felder fragte, mit ihm über Pferde und die Schmiede redete, saß Travis buchstäblich gespannt auf dem äußersten Rand seines Sessels.
»Morgen früh«, schlug Travis vor, »kannst du mit mir ausreiten und meinen Tabak besichtigen.«
»Nein«, sagte Nicole leise. »Morgen kommt Leah mit mir nach Hause. Ich bin schon viel zu lange von Clay weggewesen; und es wird höchste Zeit, daß wir sie einkleiden.«
»Sie scheint mir doch recht gut gekleidet zu sein«, sagte Travis und betrachtete wohlgefällig Leahs tief ausgeschnittenes Musselingewand.
»Travis«, warnte ihn Regan. Sie hatte gute Lust, ihm einen Vortrag darüber zu halten, daß man seiner Schwägerin nicht in den Ausschnitt schielt.
Nicole lachte und verhinderte so einen kleinen Ehestreit. »Nein, Leah muß mit mir reisen. Die Stoffe, die ich bestellt habe, sind endlich eingetroffen, und meine Näherin erwartet uns. Auch will ich Leah dort in der Leitung einer Plantage unterrichten. Sie kann das auf einem kleineren Landsitz üben, ehe sie sich mit einem solchen Monsterbetrieb befaßt, wie du ihn hast, Travis.«
Nach einem kurzen Stirnrunzeln lächelte Travis, nahm dann Leahs Hand und küßte sie. »Ich werde dein hübsches Gesicht sehr vermissen; aber Clay wird sich dort deiner annehmen.«
Später begleitete Regan Leah zu Wesleys Schlafzimmer. »Nicole hat eine Armee französischer Kunsthandwerker auf ihrer Plantage angestellt. Sie ist mit Clay im vorigen Sommer in Frankreich gewesen und hat diese Leute von dort mitgebracht. Sie kannte sie noch aus der Zeit, als sie dort lebte. Im übrigen hat ihre Schneiderin früher für die Königin von Frankreich gearbeitet. Nun schlaf gut; morgen wirst du schon sehr früh aufstehen müssen. Gute Nacht!«
Leah zog ihr Kleid aus — ein umgenähtes Stück
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