Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)
verruchten Funkeln in den Augen erklärt: »Weißt du, einfach ficken wär mir lieber.« Es war die erotischste Erklärung, die er je gehört hatte, und beim Gedanken bekam er noch heute einen Ständer. Dazu gingen sie also über. Sie fickten. Manchmal öfter, manchmal weniger oft, aber er konnte ehrlich behaupten, dass es ihn nie gelangweilt, nie ermüdet hatte. Nicht, dass es irgendjemanden etwas anging, aber sie hatte es gern etwas härter.
Und genau das machte ihm in den letzten Monaten Probleme. Erst mal war da die Schnittwunde von ihrer Operation, die er nicht berühren durfte. Wobei sie nach dem Eingriff ohnehin keine Lust auf ihn gehabt hatte; zu viele Hände und Instrumente hatten in ihrem Körper herumgefuhrwerkt; sie hätte nicht mal ein zärtliches Eindringen ertragen können und schlief zu einer kleinen privaten Kugel zusammengerollt. Die Narbe war jetzt nicht mehr ganz so zart, und mit der Zeit ging sie etwas weniger fürsorglich damit um; er war sicher, dass sie sich geschämt hatte – dass sie Angst hatte, verunstaltet worden zu sein. Gut, den roten, mittlerweile bräunlich gefärbten Strich hätte er nicht gerade als aufreizend bezeichnet, aber er stellte etwas anderes mit ihm an, das ihm schließlich doch ein Gefühl von Männlichkeit gab: Er brach ihm das Herz. Er weckte seinen Beschützerinstinkt und bewegte ihn dazu, ihren Oberkörper an sich zu drücken und seine ganze Körpermasse zwischen seine Frau und die messerwetzende Welt zu schieben.
Schließlich war es Glynis, die ihn hatte bedrängen müssen, dass er sie nicht mehr wie ein Stück Porzellan behandelte. Sie kam ihm tatsächlich zerbrechlich vor, unter dem Einfluss von Alimta war sie regelrecht druckempfindlich geworden, und als er dann tat, wie ihm geheißen, hatte sie am nächsten Morgen lauter blaue Daumenabdrücke an den Schenkeln.
Es war so: Er wusste, dass er sie auf eine zarte und geistige Art liebte. Aber gleichzeitig wusste er auch, dass sein körperliches Begehren etwas Separates war – ein ausgeprägtes Verlangen, das mit Linie und Form und Farbe zu tun hatte, mit Brüsten und Haaren und Geruch. Es hatte nichts mit ihrem trockenen Humor zu tun, ihrer Verschlagenheit, der betörend barbarischen Seite ihres Charakters. Es hatte nichts mit ihrem ärgerlichen Hang zur Selbstzerstörung zu tun oder ihrer spirituellen Verbundenheit mit dem Metall. Es hatte nichts mit ihrer kläglich ungenutzten künstlerischen Begabung zu tun. Es hatte mit den Proportionen ihrer Beine, ihrer langen Taille, ihrem kleinen, muskulösen Po zu tun. Es hatte mit ihrer dunklen, geheimnisvollen, bewaldeten Fotze zu tun. Jahrelang hatte ihn insgeheim der Gedanke gequält, dass sie älter werden würde – aus heutiger Sicht ein Luxus. Seit Januar quälte ihn der Gedanke an ihre Krankheit. Er fühlte sich viel zu sehr hingezogen zu seiner Frau, und er war es gewohnt, sich zu ihr hingezogen zu fühlen, und wenn alles, was bliebe, nur diese nette, warme, verständnisvolle Liebe wäre, ohne die unanständige, schmuddelige und triebhafte Liebe, dann würde er sich geringer fühlen, die Liebe wäre dann eine geringere, wäre in ihrer Seelengröße und reinen Güte geringer, uninteressanter und weniger suchterzeugend. Er wollte nicht aufhören, sich zu seiner Frau hingezogen zu fühlen. Es fiel ihm nicht leicht, dem Gedanken ins Auge zu sehen, aber er hatte sechsundzwanzig Jahre lang nicht nur eine Frau geliebt. Er hatte einen Körper geliebt.
Ähnlich wie das Haus in seinem Traum, in jener Nacht vor der Operation, hatte dieser Körper über eine gute Bausubstanz verfügt. Aber ebenso, wie man über einen Fußboden gehen und eine beruhigende Festigkeit spüren wollte, ohne sich unbedingt jeden einzelnen Stützbalken darunter vorstellen zu müssen, wollte man auch nicht unbedingt die gute Bausubstanz seiner Frau bezeugen müssen. Während er über die Stufenleiter ihres Brustkorbs strich, spürte er darunter die Struktur, die Balken, aus denen Glynis gebaut war. Es mochte sein, dass ihm die spitzen Hüftknochen immer gefallen hatten, aber jetzt waren sie zu spitz, die Haut spannte sich darüber wie ein billiger Teppich, der so fadenscheinig war, dass man nicht nur die Ritzen zwischen den Dielen, sondern sogar die Nägel ausmachen konnte.
»Bist du sicher, dass es geht?«, flüsterte er.
Statt einer Antwort griff sie dorthin, wo sein Widerwille am fühlbarsten war; er schrak zurück und sank in sich zusammen. Doch eine Kunstschmiedin hat kräftige Hände, und
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