Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)
Pogatchnik« konnte Shep noch immer ein Ansehen für sich beanspruchen, das nie unter ein bestimmtes Level fiel. Herrgott, die Selbsterniedrigung dieses Mannes war kaum zu überbieten. Dennoch, immer wenn ein richtig heikler Auftrag reinkam – wie heute Morgen, als der Bau einer Durchreiche zwischen Küche und Esszimmer einen Durchbruch durch einen halben Meter massiven Beton erforderte –, an wen wandten sich die Jungs um Rat? Kleiner Wink: jedenfalls nicht an Jackson Burdina.
ALS ES ENDLICH Mittag wurde, zwang sich Jackson, an Sheps Arbeitsplatz vorbeizuschlendern. Er hatte sich aus so vielen Mittagspausen ausgeklinkt, um nachmittags »Besorgungen« zu machen, dass allmählich allzu klar wurde, dass er seinem besten Freund aus dem Weg ging. Ständig war er in Verlegenheit, alles aus dem Gespräch zu streichen, was er gerade mit Carol durchmachte; wie beim Boxen durfte er mit keinem Thema unter die Gürtellinie zielen. Obwohl er natürlich immer auf die Absahner und armen Säue zurückgreifen konnte, war eine Schimpftirade allein als Ablenkungsmanöver niemals wirklich befriedigend. »Musst du telefonieren, oder kommst du mit, was essen?«
»Vierzig Minuten reichen nicht, um in dieser Telefonzentrale an einen echten Menschen ranzukommen«, sagte Shep. »Die Sache ist, gestern hatte ich eine Rechnung in der Post, die komplett abgelehnt wurde. Und zwar über 58 000 und ein paar Zerquetschte. Goldmans Sekretärin meinte, da sei vielleicht irgendein Zahlendreher passiert. Eine falsche Ziffer im Formular, und sie übernehmen nichts von den Kosten.«
»Kein Wunder, dass bei denen so viel Kohle für den Verwaltungsaufwand draufgeht«, sagte Jackson. »Carol meint, diese Firmen heuern scharenweise Leute an, deren ganzer Job nur darin besteht, Wege zu finden, um die Arztrechnungen der angeblich bei ihnen Versicherten nicht übernehmen zu müssen. Diese Wichser sind angeblich so gewieft, dass sie’s schaffen, sich aus durchschnittlich dreißig Prozent aller eingereichten Rechnungen rauszuwinden.«
»Klar, und jedes Mal, wenn sie sich ›rauswinden‹ oder wenn irgendeiner eine Zahl verdreht, geht die Rechnung in voller Höhe an meine Wenigkeit.«
»Krankenversichert ist krankenversichert«, donnerte hinter ihnen eine Stimme. »Sie sind überhaupt versichert und beschweren sich auch noch?« Es war Mr Pogatchnik, der Lauschangriffe als sein Vorgesetztenvorrecht ansah. »Dieser Vertrag hat mich ein Vermögen gekostet, Knacker.«
»Ja, mir ist klar, dass das einen beträchtlichen Posten darstellt. Zu meiner Zeit –«
»Es ist aber nicht Ihre Zeit. Hatten wir das nicht geklärt? Es ist nicht Ihre Zeit. Wiederholen Sie das bitte.«
»Es ist nicht meine Zeit.«
»Also bilden Sie sich bloß nicht ein, dass Sie von irgendwas ’ne Ahnung haben. Als Sie Chef von diesem Laden waren, mussten Sie nur einen Bruchteil meiner Belegschaft versichern. Kann schon sein, dass ich Ihre ehemalige Cadillac-Versicherung durch einen durchaus brauchbaren Ford Fiesta ersetzt habe. Nur hat sich in acht Jahren die Arbeitnehmerprämie für Kleinbetriebe pro Kopf verdoppelt .«
»Tja, es kostet, was es kostet«, sagte Shep, und Jackson bemerkte mit Erleichterung ein listiges Funkeln im Auge seines Freundes.
»Es kostet verdammt noch mal zu viel«, sagte Pogatchnik, der sich seiner pseudoprofunden Tautologien genauso unbewusst war wie der Existenz des Begriffes selbst. »Gerade hab ich nämlich den Vertrag verlängert, und Ihre Frau wurde als einer der Gründe für die Erhöhung angegeben. Ich kann nur hoffen, dass Ihnen die Dame was bedeutet, sie kostet mich nämlich jede Menge Geld.«
»Ja, zufällig bedeutet mir meine Frau etwas.«
»Jedenfalls sind die Neuen, die ich angeheuert habe, alle auf Zeitvertrag, ohne Leistungen. Also können Sie sich glücklich schätzen.«
»Bei medizinischen Fällen kann es um Leben oder Tod gehen«, sagte Shep mit größter Vorsicht. »Gar keine Versicherung anzubieten scheint mir … ein bisschen brutal.«
»Ich bin, was ich bin, oder? Ich bin kein Eisverkäufer. Ich bin Geschäftsmann. Wenn ich keinen Gewinn mache, stehen Sie alle auf der Straße.«
»Das mag wohl stimmen«, gab Shep zu.
»Und schwuppdiwupp, soll ich auch noch für Ihren Flachbildschirm und Ihr Kabelfernsehen löhnen. Was übrigens um einiges billiger wäre als diese verfluchte Krankenversicherung, und da könnte ich sogar noch ’ne Sitzecke und ein Flatrateessen bei Pizza Hut drauflegen.«
»Stimmt, das wollte ich noch fragen«,
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