Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Titel: Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lionel Shriver
Vom Netzwerk:
Krebshaben.«
    »Ach, was für ein Schwachsinn. Das ist doch nur wieder eine dieser – verweichlichten – Floskeln . Ich kann’s nicht mehr hören. Ich komme mir vor wie in einem Top-Vierzig-Hit von den Carpenters. Guck dir Petra an. Sie hat ihren Kram immer verteidigt. Jetzt kommt sie her, und es ist, als bekäme ich Besuch von einem Vanillepudding. Ich kann alles sagen. Deine Arbeit ist das Letzte. Du bist ein Pfuscher. Sie nimmt es einfach hin. Wofür halten mich die Leute?«
    »Für krank, nichts weiter. Das bedeutet, du brauchst nicht nett zu sein, alle anderen aber schon. Lieb. So wie du sagtest.«
    »Lieb? Es ist aber nicht ›lieb‹, mich wie eine böse Königin zu behandeln, die dich köpfen lässt, wenn du ihr nicht ständig sagst, sie sei die Schönste im ganzen Land. Und du bist am schlimmsten von allen. Du wirst überhaupt nicht mehr wütend auf mich! Du hältst mir nichts mehr vor. Ich kann dich beschimpfen, wie ich will, ich kann dich mit grünem Schleim bespucken. Ich hör immer nur, das ist aber schöner grüner Schleim, Glynis, warte mal, ich wisch ihn dir eben weg, und dann schüttel ich dir deine Kissen auf. Immer und ewig bist du so verflucht nett. Immer diese Nettigkeit, die macht mich erst recht krank . Du hast schon immer alles mit dir machen lassen. Aber jetzt bist du auf dem besten Wege, dich vom Wurm zur Nacktschnecke zu entwickeln.«
    Als sie beim Wort »Nacktschnecke« mit der Hand über das Tablett fuhr, stieß sie die Vase mit dem Efeu um. Der Hals der Vase knallte gegen den Teller. Das Wasser lief über das Essen und das Bettzeug. Shep stellte seinen eigenen Teller ab. Mit flinken Fingern pflückte er die Glassplitter von der Bettdecke und vom Teppich. »Ich bezieh dir das Bett neu«, versprach er.
    »Guck dich an! Was ist denn mit dir los? Warum sagst du nicht: ›Glynis, du blöde Fotze‹, warum sagst du nicht: ›Glynis, mach’s selber weg‹. Ich habe dich gerade als Nacktschnecke beschimpft. Und was bekomme ich als Antwort? Ich hol dir neues Bettzeug . Du bist nicht mal eine Nacktschnecke! Eine Nacktschnecke hat noch mehr Mumm! Du bist zu irgendeiner Art Amöbe verkommen!«
    Er stand auf und nahm das Tablett. »Glynis, du bist einfach nur müde.«
    »Müde, ich bin immer müde. Na und?«
    Reis lag auf dem Bettzeug. Obwohl das Bett vorgestern erst frisch bezogen worden war, würde es nicht genügen, das Bettzeug einfach nur trocknen zu lassen. Er würde es waschen müssen. »Ich weiß nicht, was du von mir willst.«
    »Genau das meine ich! Es geht immer nur darum, was ich will. Willst du denn gar nichts mehr? Du bist – verschwunden! Du bist nicht mehr da. Du bist ein Dienstleister. Du könntest genauso gut von einem japanischen Roboter ersetzt werden.«
    »Glynis. Warum willst du mich kränken?«
    »Gott, da bin ich aber erleichtert. Ein zarter Schimmer von Selbstverteidigung. Nur ein Hauch. Eine Ahnung. Eine Messerspitze.« Mit Daumen und Zeigefinger schnipste sie gegen ein Reiskorn auf der Bettdecke, hatte aber nicht genug Kraft, und das Reiskorn blieb an ihrem Finger kleben. »Aber um deine Frage zu beantworten. Ich werde dich kränken, weil du der einzige Mensch bist, den ich zwischen die Finger bekomme. Und vielleicht um rauszufinden, ob du überhaupt Gefühle hast , die sich kränken lassen.«
    »Ich habe jede Menge Gefühle, Glynis.« Doch er sprach mit stoischer Miene. Bei den vielen Themen, denen sie aus dem Weg ging – ihre Zukunft, um nicht zu sagen, ihre nicht vorhandene Zukunft –, hatte er oft das Gefühl gehabt, dass er der Dinge beraubt wurde, die sie ihm vorenthielt. Vielleicht erahnte auch sie alles das, was er ihr vorenthielt, und nahm es ihm übel.
    »Du fragst mich also, was ich will«, knurrte sie. »Ich will jemanden, der selbst etwas will. Du fickst mich ja nicht mal mehr.«
    Er war verblüfft. »Ich bin davon ausgegangen, dass du nicht mehr dafür zu haben bist.«
    »Scheiß drauf, für was ich deiner Meinung nach zu haben bin! Du sollst selbst etwas wollen!«
    »Gut«, sagte ich. »Ich werd mir Mühe geben.«
    »Immer dasselbe. Diese Fügsamkeit. Also wirst du dir ›Mühe geben‹, mich zu vernaschen, so wie du dir ›Mühe geben‹ wirst, mir noch ein Glas Cranberrysaft zu holen. Immer diese Fügsamkeit, nichts als Fügsamkeit! Hältst du das etwa für sexy? Diese Gutmütigkeit , davon wird einem kotzübel. Das ist für mich ungefähr so sexy, wie es Jacksons weinerlicher Defätismus für Carol ist.«
    Er wusste nicht genau, wie er reagieren

Weitere Kostenlose Bücher