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Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Titel: Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lionel Shriver
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FD-Forschung.«
    »Sehr ehrenwert von dir.«
    Flicka lachte laut auf, und ein Rinnsal Spucke tropfte an ihrem Kinn herunter. »Nicht wirklich, wie ich gemerkt habe. Wir waren alle zur Premiere eingeladen. Mich hatten sie rausgeschnitten.«
    »Wieso haben sie deinen Videoclip nicht benutzt? Gab es eine Erklärung?«
    »Klar. Der Vorsitzende der Stiftung sagte, so total zerknirscht, dass ich wohl nicht die richtige positive Einstellung hätte.«
    »Das hast du doch bestimmt als Kompliment aufgefasst.«
    »Schon möglich. Aber das war nicht der echte Grund. Auf dem Empfang danach hab ich zufällig mitbekommen, wie sich der Typ mit einem der Aufsichtsräte unterhalten hat. Dass es so schwierig ist, für die Geldgeber den ›richtigen Ton‹ zu treffen. Dass die Kinder sowohl ›krank genug‹ als auch ›süß genug‹ sein müssen. Das soll einer kapieren. Denn krank genug« – sie hustete – »bin ich definitiv.«
    »Ich finde dich schon süß.«
    »Lass mal. Ich hab zwar Probleme mit meiner Hornhaut, aber ich bin nicht blind.« Auch ohne Zigarette hatte Flicka eine abschnipsende Art. »Und sonst so? Irgendwas ist mit meinen Eltern. Die fassen sich nicht mehr an. Die streiten sich auch nicht mehr, was ein schlechtes Zeichen ist, ob man’s glaubt oder nicht. Ich könnte mir vorstellen, dass sie an Scheidung denken.«
    »Oh nein! Das kann ich nicht glauben!«
    »Wir werden sehen. Vielleicht beiben sie ja meinetwegen zusammen. Aber dieses Gefühl – als wären sie zwei Hausgäste, weißt du, die im Flur aneinander vorbeigehen. Ich glaube, das ist mit ein Grund, warum Heather so unfassbar fett geworden ist.«
    »Das ist schade. Sie ist ein hübsches kleines Mädchen.«
    »Hübsch vielleicht schon, aber bestimmt nicht klein. Ihre ganzen Freunde nehmen Psychopharmaka und krampflösende Mittel und Ritalin und so Zeug, und die sind auch alle zu fett. Also behauptet sie, dass sie wegen ihres ›Cortomalaphrin‹ so zugelegt hätte.«
    »Wozu nimmt sie das denn?«
    »Es sind eigentlich nur Zuckertabletten, ein ›Medikament‹, das sich meine Eltern ausgedacht haben, damit sie das Gefühl hat, was Besonderes zu sein. Das geht schon seit Jahren so, obwohl ich’s auch erst seit ein paar Wochen weiß. Ich hab zufällig mitbekommen, wie sich mein Vater bei Mama beschwert hat, wieso sie sich die Mühe machen, jedes Mal wieder mit ’nem ›Rezept‹ in die Apotheke zu laufen und zehn Doller zu zahlen, wo sie das Fläschchen doch einfach mit M&M’s auffüllen könnten. Ich hab ihn gefragt, was er damit meint, und er hat mir alles erzählt. Ich hab mich echt weggeschmissen. Aber diese Nummer mit den ›Nebenwirkungen‹, auf denen Heather so rumreitet, wo die echten ›Nebenwirkungen‹ einfach nur von zu viel Häagen Dazs kommen … irgendwann hatte ich dann doch die Schnauze voll. Dann hab ich mich wohl … ein bisschen daneben benommen.« Flicka lächelte listig.
    »Du hast es ihr erzählt.«
    »Genau. Erst wollte sie mir nicht glauben, bis ich die ganze Flasche ›Cortomalaphrin‹ zerstoßen, mit Wasser vermischt und durch meine PEG-Sonde gegossen habe. Ist nichts passiert. Es musste mich keiner wegen ’ner Überdosis in die Notaufnahme karren. Nachdem sie’s dann kapiert hatte – Mann, war die sauer.«
    »Das war aber ganz schön gemein«, sagte Glynis.
    »Stimmt«, sagte Flicka leichthin. »Aber weißt du, viel Spaß hab ja ich nicht im Leben.«
    »Und, was haben deine Eltern gemacht?«
    »Sie mussten ihr ein echtes Medikament besorgen, ein Antidepressivum – und bei diesem steifen, superhöflichen Getue bei uns zu Hause, nach dem Motto Jackson, Schatz, würdest du mir bitte den Salat reichen , braucht sie vielleicht wirklich Zoloft. Davon nimmt man echt dann zu. In den letzten paar Monaten hat sie bestimmt noch mal zweieinhalb Kilo zugelegt.«
    »Du solltest mal fragen, ob du dir ein paar ausborgen kannst.«
    »Stimmt, du auch.«
    »Und, hast du in letzter Zeit ein paar neue Exemplare für deine Handysammlung gefunden?« Schon bei der Vorstellung, uralte Exemplare einer Technologie zu sammeln, die für ihre Begriffe eine hochmoderne Innovation darstellte, fühlte sich Glynis alt.
    »Ich hab einen echten Knochen von 2001«, sagte Flicka, stolz wie ein Antiquitätenhändler, der einen echten Louis-quatorze an Land gezogen hat. »Total eckig und schwer und megagroß. Wenn man bei mir an der Schule mit so was auftauchen würde, würden sich die Leute totlachen. Und was ist mit dir, wann ist deine nächste Chemo?«
    Ach

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