Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)
fast hätte ich den Hochzeitsbrunnen verkauft, aber ich hatte Angst, dass ihn jemand wegen des Silbers einschmilzt, und am Ende hab ich’s doch nicht übers Herz gebracht. Hätte dafür sowie nur Kleckerbeträge gegeben; gerade genug für einen Bluttest und einen PET-Scan. Vor allem nach der Kapitalgewinnsteuer hattest du am Ende nämlich doch recht. Ich war nicht reich. Eine Million Dollar ist nicht so viel Geld.«
»Würde es denn irgendeinen Unterschied machen, wenn Glynis – wenn Glynis …?«
Behutsam nahm ihm Shep mit einer Geste fast physischer Großzügigkeit den Gedanken ab, ähnlich wie er Jackson vor dem Auto die Kiste mit seinem Bürokram abgenommen hatte. »Wenn sie früher stirbt? Klar, das würde mich wohl entlasten. Und, klar hab ich darüber nachgedacht. Es liegt nun mal auf der Hand. Meine praktische Veranlagung, weißt du, kann auch ein Fluch sein. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie schlimm solche Gedanken sind.«
»Aber wär’s für sie am Ende denn nicht auch besser?«
»Was schlägst du denn vor, soll ich sie mit dem Kopfkissen ersticken? Es ist nicht meine Aufgabe, die Sache zum Abschluss zu bringen. Sie hält ja immer noch durch. Mit einer Handvoll Pillen pro Stunde und winzigen pürierten Mahlzeiten. Also muss ich doch davon ausgehen, dass es ihr Wille ist, weiterzumachen. Aber jetzt einen Monat ganz ohne Krankenversicherung, und ich bin am Ende. Schlimmer noch: Ich stecke bis zum Hals in den Miesen, und jetzt hab ich nicht mal mehr ein Gehalt.«
»Du kriegst bestimmt eine Abfindung.«
»Die geht ja doch nur an die Gläubiger.«
»Na ja, aber dann ist es vielleicht okay, pleite zu sein. Steh die Sache mit Glynis durch, lass die Rechnungen sich anhäufen, dann reichst du die Papiere ein. Ziehst einen Schlussstrich. Fängst noch mal von vorne an. Genau dazu ist eine Bankrotterklärung doch gut.« Spaßeshalber malte sich Jackson die gleiche Lösung für seine eigenen Schulden aus, dann aber verwarf er den Gedanken. Nicht wegen der Schmach. Es war einfach zu viel Aufwand.
»Ich hab bisher immer alles auf die Reihe gekriegt«, sagte Shep. »Du hast mir immer in den Ohren gelegen, dass ich mich von Leuten wie Beryl nicht ausnutzen lassen darf, aber so was hat mich nie gekümmert. Mich kümmert es, dass ich mir meinen Stolz bewahre, dass sich andere auf mich verlassen können. Jetzt werde ich nur noch ein Versager von vielen sein.«
Jacksons anfänglicher Anfall von Wut um seines Freundes willen hatte sich schon in Langeweile gekehrt. Wäre er noch interessiert gewesen, hätte er Shepherd Knackers finanzielle Schande als Ungerechtigkeit verurteilt, aber er war nicht mehr interessiert. Seltsam, die antriebsstarke Gefühlsmischung aus Empörung, Bestürzung und Verachtung, die sein ganzes Erwachsenenleben angeheizt hatte, schien sich plötzlich geleert zu haben wie ein Benzintank. Er hätte natürlich gern in Sheps Namen losgewettert, und sei es, bei diesem traditionellen Spaziergang durch den Prospect Park, um der alten Zeiten willen. Doch selbst wenn man ihm die Pistole auf die Brust gesetzt hätte, hätte er keine vernünftige Schimpftirade mehr zustande gebracht.
Diesmal liefen sie den vollen Rundgang von vier Meilen, und auf dem letzten langen Anstieg behielt jeder seine Gedanken für sich. Als sie wieder vor Sheps Auto standen, wollte Jackson ihm etwas Weises und Erinnerungswürdiges mitgeben, aber es wollte ihm nichts einfallen, außer »Pass auf dich auf« – irgendwer musste schließlich auch vernünftig weitermachen. Dennoch, obgleich sie es nie groß mit Körperkontakt gehabt hatten, packte Jackson nach unbeholfenem Trödeln neben der Fahrertür seinen besten Freund und umarmte ihn fest und sehr lange. Nachdem sie sich voneinander gelöst und Jackson gewinkt hatte, um sich schließlich umzudrehen und mit gebeugtem Rücken die Straße hinunter zu verschwinden, glaubte er, dass die Umarmung wirklich die bessere Lösung gewesen war. Besser als irgendein schlauer Spruch.
AUF DEM HEIMWEG, am frühen Nachmittag dessen, was sein ultimativer freier Tag zu werden versprach, schlenderte Jackson mit zunehmender Behaglichkeit und Leichtigkeit dahin, von einer ähnlichen Gelassenheit beseelt wie Shep bei Handy Randy nach dem eingetretenen Supergau. Er fühlte sich geläutert – als hätte Gabe Knacker unrecht und als wäre wirklich irgendein armes Schwein für seine Sünden gestorben; als wäre er gerade aus der Dusche gekommen, zu der Zeit, bevor er sein Genital gleich in ein
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