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Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Titel: Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lionel Shriver
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klinischen Studien großartige Ergebnisse erzielt. Damit könnten wir den Dreck in meinen Eingeweiden endgültig k. o. schlagen.« Sie hustete; sie hustete ständig. »Wobei ich sicher bin, dass auch wieder eine Wundertüte voller Spezialeffekte dabei ist.«
    Er hätte zu gern gefragt, ob sich ein neues Medikament denn lohnte, aber er wusste es besser. Seit September kannte Glynis die Ergebnisse ihrer CTs nicht. »Das ist ja ziemlich aufregend« – es machte ihm Mühe, etwas Überschwang in seine Stimme zu legen –, »wenn das Zeug bei anderen Patienten so vielversprechende Ergebnisse zeigt.«
    »Ach ja, und Goldman hat mir eine fabelhafte Geschichte erzählt! Irgendein Kollege hat zu seinem Mesotheliom-Patienten nach der Diagnose gesagt: ›Machen Sie mal keine Pläne für Weihnachten.‹ Drastischer geht’s ja wohl nicht, oder? Also hat der Patient mit dem Arzt um 100 Dollar gewettet, dass er zwei Jahre später noch quicklebendig sein würde. Der Arzt hat ihn verspottet und ihm eine 50:1-Quote angeboten. Und dieser Onkologe musste gerade 5000 Dollar lockermachen. Ist das nicht irre? Gott sei Dank habe ich nicht einen dieser zynischen Ärzte, die auf ihren ›Realitätssinn‹ auch noch stolz sind – da fehlt nicht viel, und sie reichen einem den Spaten, mit dem man sein eigenes Grab schaufeln soll.«
    »Schade, dass Goldman nicht zynischer ist«, sagte Shep gezwungen lebhaft, doch insgeheim ärgerte er sich ein wenig darüber, dass ihr Internist solche fabelhaften Geschichten nicht für sich behalten konnte. »Bei 50:1 könnten wir uns richtig was dazuverdienen.«
    Die Sonne über dem Hudson war so blass und wenig überzeugend wie diese Unterhaltung.
    »Shepherd«, sagte sie seufzend, »zu sagen, dass ich mich wirklich darauf freue, wenn diese Sache endlich vorbei ist, wäre nicht ansatzweise … Ich weiß ja, wie’s einem Marathonläufer bei Kilometer zweiundvierzig geht. Man sollte meinen, sobald die Zielgerade in Sicht kommt, wird es einfacher. Ich dachte, die letzten paar Behandlungen wären ein Kinderspiel – du weißt schon, fast geschafft. Stattdessen wird es schwerer und schlimmer. Vorbei und fast vorbei scheinen fast dasselbe zu sein. Dabei sind es Gegensätze. Fast vorbei heißt, dass es immer noch weitergeht. Man will aufrunden und sagen, eigentlich war’s das. Aber das war’s noch nicht. Als hätte man noch eine Meile zu laufen, man erkennt, dass es keine Rolle spielt, wie viele Meilen man schon zurückgelegt hat, denn eine Meile ist immer noch ein langer Weg. Manchmal denke ich, ich halte es nicht mal mehr einen Tag aus. Einen ganzen Tag. Du hast keine Ahnung, wie lang einem das werden kann, ein ganzer Tag.«
    »Ich weiß, es scheint wie eine Ewigkeit, als würde es nie vorbeigehen. Aber es geht vorbei«, sagte er mit fester Stimme und diesmal mit Gefühl.
    Glynis wartete im Auto, während er schnell in die nächste Apotheke lief. Vermutlich war es eine feine Sache, wenn einem der Barmann ungefragt seinen Lieblingsdrink einschenkte, aber ein kumpelhaftes Verhältnis zu seinem Apotheker war alles andere als erhebend. Als er in ihre Auffahrt eingebogen war, hielt Shep ihr seinen Arm hin und stützte sie, und sie gingen die Verandatreppe langsam, Stufe für Stufe, hinauf. Allein auf dem Weg vom Auto ging ihr die Puste aus, und er setzte sie zum Verschnaufen ins Wohnzimmer, bevor sie die Treppe hinauf ins Schlafzimmer in Angriff nahmen. Außerdem musste er etwas mit ihr besprechen, und das etwas förmlichere Wohnzimmer schien dafür der passende Ort zu sein.
    Er ließ sie dort sitzen, um ihr einen Cranberrysaft zu holen, den er in ein Weinglas einschenkte, wobei der biegbare Strohhalm darin nichts Erwachsenes hatte. Sie war so schwach, dass sie kaum allein in der Lage war, das Glas zu heben, einen Schluck zu trinken und das Glas wieder abzustellen, ohne den Saft zu verschütten. Die Couch war weiß, und es bestand immer die Möglichkeit, dass sie den nächsten Wutanfall bekam.
    Er stellte das Glas neben ihrem Ellenbogen auf den Beistelltisch, drehte ihr den Strohhalm entgegen und schüttelte zwei Tabletten aus dem Röhrchen mit Antibiotika, bevor er ihr erst eine, dann die zweite auf die Zunge legte. Die ganze Zeit beschlich ihn das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmte. Es war die Stille. Er blickte hinüber zum Hochzeitsbrunnen auf dem gläsernen Wohnzimmertisch. Zu seinem Leidwesen bemerkte er, dass das Silber der ineinander verschlungenen Schwanenhalsrinnen gelblich angelaufen war, das

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